Guten Abend zusammen,
Zitat von WiBu im Beitrag #65
Wenn denn Technik ausfällt, ist sie entweder schlecht designt, schlecht gewartet oder wird außerhalb der Spezifikation betrieben.
Naja, ganz so einfach ist es ja nun auch nicht. In aller Regel hat die Technik ja im Grundsatz einwandfrei funktioniert. Und den Fehler des Menschen (Fdl / Tf) verhindert (z.B. durch Zwangsbremsung oder durch nicht einstellen lassen der Fahrstraße).
Im Anschluss wurden denn vom Fdl bzw. Tf Funktionen benutzt, die sie nicht hätten benutzen sollen, aber die für gewisse Fälle eben notwendig sind. Natürlich sinkt durch solche Hilfshandlungen das Sicherheitsniveau, das aber in konkreten Fällen wohl in Kauf genommen werden kann. Und nicht umsonst werden solche Hilfshandlungen automatisch protokolliert.
Nehmen wir als Beispiel eine eingleisige Strecke:
Der Fdl aus A-Stadt lässt einen Zug in die Strecke von A-Stadt nach B-Dorf einfahren.
Der Streckenblock ist jetzt belegt. Weder der Fdl A-Stadt noch der Fdl B-Dorf können nun einen weiteren Zug auf die Strecke einfahren lassen.
Nun kommt aber der Zug nie in B-Dorf an (Lokschaden, Gleisschaden, Entgleisung, ...).
Gebraucht wird nun eine Ersatzlok, ein Hilfszug, ...
Aber nun haben die beiden Fdl in A-Stadt und B-Dorf ein Problem - die Sicherungstechnik verhindert, dass sie die Fahrzeuge (aus welcher Richtung sie auch immer kommen) in den Streckenabschnitt einfahren können, weil der Streckenblock ja noch belegt ist (durch den liegengebliebenen Zug).
Die Lösung lautet dann z.B. (
Ersatzsignal) oder
schriftlicher Befehl (der übrigens auch der Fdl dem Tf diktieren kann).
So, nun haben wir eine Lösung für den Fdl gefunden ... der Tf des Hilfszugs bekommt einen Befehl um in den besetzten Gleisabschnitt einfahren zu können.
Dafür hat jetzt der Tf ein Problem ... er kommt nicht am Halt zeigenden Signal vorbei, weil der 2000Hz Magnet der PZB noch "scharf" ist.
Er muss aber vorbei ... also hat er eine Taste, mit deren Betätigung er die Zwangsbremsung verhindern kann.
Die Sicherungstechnik kann leider von allein nicht entscheiden, ob der Zug der nun "zusätzlich" einfahren soll das darf, weil es zur Erfüllung eine Aufgabe nötig ist, oder ob das eine feindliche Fahrt ist.
Das Problem ist eben, dass man diese Mittel alle auch missbräuchlich einsetzen kann.
Das angesprochene 4-Augen-Prinzip ist meiner Meinung nach, zumindest nach einer Zwangsbremsung ja sogar vorhanden, wenn auch nicht am gleichen Ort.
Denn der Tf hat sich ja beim Fdl telefonisch zu melden, um den Grund der Zwangsbremsung zu klären, und von diesem die Zustimmung zur Weiterfahrt einzuholen, bzw. das weitere Vorgehen zu besprechen.
Innerhalb von einem Stellwerk wird das natürlich (z.B. für die Entscheidung Zs1 ja oder nein) ggf. schwierig, denn viele kleine Stellwerke sind ja nur mit einer Person besetzt. (Und bei einem Zug pro Stunde wäre da wohl eine 2-Mann-Besetzung auch etwas übertrieben.)
Im günstigsten Fall muss er sich mit dem Fdl des benachbarten Bahnhofs abstimmen, aber auch da kann es Missverständnisse geben.
In Bad Aibling war der Fdl aber z.B. auch für den benachbarten Bahnhof zuständig ... mit wem soll er nun Rücksprache halten? Er weiß (oder sollte wissen) was in seinen Bahnhöfen und Strecken los ist. Soll er nun ein Selbstgespräch führen? Soll er einen anderen Fdl anrufen, der aber keinen Einblick in die Belegung der Strecken bzw. Bahnhöfe hat, und auch nicht über evtl. techn. Störungen bescheid weiß?
Im allgemeinen sind das meiner Meinung nach aber auch Bedienhandlungen die man nicht in Sekundenbruchteilen ausführen muss.
Mit einem klaren Kopf und gesundem Menschenverstand, und Einhaltung der gültigen Dienstanweisungen lässt sich da denke ich ein relativ hohes Niveau an Sicherheit erreichen.
Aber wer sich nach ein paar Minuten nicht mehr dran "erinnern" kann, welche Fahrstraße er zuletzt eingestellt hat, oder auf einer Fahrt 2x ein Zwangsbremsung ohne Rücksprache mit dem Fdl auflöst (zuerst wegen Überschreitung der Überwachungsgeschwindigkeit, und dann wegen dem überfahren eine Halt zeigenden Signals), der ist für diesen Job ungeeignet.
Zitat von WiBu im Beitrag #65
Ein Flugzeug oder ein wichtiges Rechenzentrum hat auch Redundanzen.
Nun ja, aber auch im Flugzeug kann man normale Bedienhandlungen nutzen, um großen Mist zu bauen. Ansonsten hätte auch der
Germanwings-Flug 9525 so nicht passieren dürfen.
Grüße,
Stephan