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Der Fluch der Akribik, Teil 329
ÖSTERREICHISCHE BUFFERWEHREN
Gleise und Schwellen des Schattenbahnhofs sind nun flächendeckend gestrichen, diese Woche folgt der Schotter. Eine Schweinsarbeit, aber die Mitzi hat hierfür wieder einmal keinen Blick. Sie schüttelt vielmehr energisch den Kopf. „Wos da Koal, dea degane Tschriasche, wieda fia an Bledsinn baut! Wonn do ana nit dabremst, foata obe ins Loch!“
[Was der Karl, dieser äußerst minimal mit Intelligenz ausgestattete Mensch, wieder für einen Unsinn baut! Wenn da einer nicht rechtzeitig bremsen kann, fährt er in diese Öffnung hinunter!]
Hmmm. Dieser Vorwurf ist schwer widerlegbar, auch Aussitzen nützt da wahrscheinlich nix. Da müssen statt der bisher verwendeten Holzklötze wohl oder übel passende Gleisabschlüsse her.
Beim Studium einschlägiger Fotos aus den 50er-Jahren zeigt es sich, dass Aufnahmen von Prellböcken recht selten sind. Die österreichischen Eisenbahnfotografen waren überwiegend auf der Jagd nach Lokomotiven, deren Tage gezählt waren, und diese Fahrzeuge standen wahrscheinlich selten an Gleisabschlüssen herum.
Die wenigen Fotos von Gleisabschlüssen, die um 1955 in Österreich aufgenommen wurden, zeigen entweder diesen in Leoben-Göss fotografierten Bremsprellbocktyp, …
Foto: Mag. Luft
…viel häufiger aber schlichte Schotterhäufen, die wohl auch den Bremsprellböcken zuzuordnen sein dürften, wie dieser 1955 in Neunkirchen aufgenommene:
Foto: Mag. Luft
Die Schotterhäufen waren offenbar nicht nur auf Nebenbahnen anzutreffen, sondern durchaus auch auf Hauptstrecken, wie z.B. 1952 in Angertal an der Tauernbahn:
Foto: ÖBB, Slg. Wiesner
Erst recht waren sie, um Schotter (im Sinne von „Kleingeld“ zu sparen, auf Vizinalbahnen wie der Görtschitztalbahn das Mittel der Wahl. Oder ging's vielleicht gar nicht ums Geld, sondern darum, im Krieg alles einzuschmelzen, was verzichtbar war, um Eisen und Stahl zu gewinnen? Wie auch immer, sowohl der südliche Gleisabschluss bei der Kohlenverladeanlage in Klein St. Paul als auch die Gleisabschlüsse in Hüttenberg waren allesamt durch solche Schotterhäufen gesichert.
Die Größe der Schotterhäufen war unterschiedlich. Manche waren recht hoch und langgestreckt, manche wieder waren geradezu winzig – so, als hätte sich jemand aus der Nachbarschaft Nächtens bedient, um mit diesem Schotter kostengünstig ein Fundament für den Hasenstall zu betonieren.
Manchen waren zusätzlich ein paar senkrecht angebrachte Schwellen, kleine Betonmauern, Natursteinmauern oder an die Gleise geklammerte Schwellen vorangesetzt, wie zum Beispiel 1958 in Scheifling…
Foto: Harald Navé, Slg. Mag. Luft
… oder 1964 in Guntramsdorf:
Foto: Slg. Notbremse
Es wird für solche Schotter-Bufferwehren, wie die Prellböcke früher auch genannt wurden, Normen und vielleicht auch Zeichnungen gegeben haben, denn man wird ihre Bremswirkung sicherlich zumindest überschlägig berechnet haben. Für die allseits bekannten, aus altbrauchbaren Schwellen errichteten und mit Schotter hinterfüllten Prellböcke, wie es sie es auch als Modell-Bausätze gibt, habe ich eine Zeichnung gefunden:
Abbildung: Zeitschrift Eisenbahn, 1949
Wer’s nachbauen will: diese Zeichnung ist deshalb nicht bemaßt, weil sich die Maße aus den genormten Abmessungen der Holzschwellen ergeben.
Für die Schotterhäufen hingegen habe noch keine Soll-Maßangaben oder Zeichnungen gefunden.
Die Schotter-Gleisabschlüsse waren, wie man auf verschiedenen Fotos sieht, bald mit Unkraut bewachsen. Da es sich, soweit auf den Fotos erkennbar, nicht immer um für Schotterflächen typische Pflanzen handelte, darf man wohl annehmen, dass es sich häufig nicht um reinen Schotter handelte, sondern auch um erdiges Material. Vielleicht war der Grasbewuchs sogar durchaus erwünscht, weil das Gras möglicherweise dem Wegschwemmen des Schotters bei starkem Regen entgegenwirkte.
Der Schotterhaufen wurde später vom bis heute in Österreich allgegenwärtigen Prellbock dieses VOEST-Typs abgelöst:
Foto: Notbremse
Zurück zum Schotterhaufen: trotz der bei uns beim Vorbild offenkundigen starken Verbreitung der Schotterhäufen in der Epoche III habe ich interessanterweise einen solchen Schotter-Gleisabschluss bisher noch nie auf einer Modellbahn gesehen.
Das gehört geändert, findet
Euer Karl