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Der Fluch der Akribik, Teil 235
STEALTH-BLECH, PRIMA GETARNT
Bevor der Deckel über dem noch fehlenden Schaffner zugemacht wird, noch ein interessantes Detail, das für die frühen Spantenwagen charakteristisch gewesen sein dürfte, und das dennoch kaum einem Spantenwagen-Fan bislang aufgefallen zu sein scheint.
Hier steht – vermutlich im Sommer 1959 aufgenommen – 86.481 der Zugförderung St. Veit an der Glan mit dem „Görtschitztalexpress“ im Bahnhof Hüttenberg. Die 86er - zum nicht geringen Teil echte Österreicherinnen, weil u. a. auch von der Wiener Lokomotivfabrik Floridsdorf gebaut - lösten ab ca. 1955 die altösterreichischen 35er und 57er ab. Primär waren die 86er im Görtschitztal dem Erzverkehr gewidmet, wurden aber zwischendurch regelmäßig auch mit Personenzugleistungen ausgelastet:
(Foto: Sammlung Salbrechter)
Sieht man sich dieses Foto gaaaaanz genau an, bemerkt man seltsamen Bleche an einigen Trittstufen der Spantenwagen:
Aber eben nicht an allen Trittstufen.
Diese Bleche waren stets nur an einem Wagenende angebracht und waren daher sicherlich nicht dazu gedacht, Reisende vor dem Ausgleiten zu bewahren. Es musste also eine Gefahr sein, die nur an einem Ende des Wagens drohte. Mit der Toilette hatten sie nichts zu tun, denn diese Bleche finden sich auf etlichen Fotos sowohl auf der Toilettenseite als auch an der der Toilette abgewandten Plattform. Es deutet einiges darauf hin, dass sie generell am Handbremsende montiert gewesen sein dürften. Ein Zeitzeuge meinte, dass sie nur dazu gedacht waren, von weitem zu erkennen, wo im Zug sich die Bühnen mit den Handbremsen befanden. Eine wenig plausible Theorie, denn eine solche Markierung hätte man mittels eines farbigen Symbols wesentlich billiger anbringen können. Oder verbarg sich hinter diesen Blechen ein Ventil der Heizung?
Richtige Stealth-Bleche eben - keiner hat sie gesehen, keiner kennt sie, keiner weiß, wozu sie gut waren. Vielleicht weiß jemand von euch, wozu sie tatsächlich dienten?
Wie auch immer, diese Bleche scheinen anfänglich generell an allen Spantenwagen angebracht worden zu sein, auch an den 6- und 7-fenstrigen, und dürfen daher auch an meinen Wagen nicht fehlen:
Ein Stück 0,3mm Polystyrol diente mir nach Zuschnitt und sorgfältiger Passprobe als Muster für acht weitere. Ganz einfach war das Ankleben nicht. Mit Essigesther gelang es nicht, es musste Cyanacrylatkleber sein. Meine Gewohnheit, stets ein paar Stück mehr zuzuschneiden, als gebraucht wurden, zahlte sich auch diesmal wieder aus.
Und die Farbgebung? Nun, die Farbe dieser Bleche ist nicht gesichert. Während Farbfotos aus den 70er Jahren häufig (verschmutzte) schwarze Bleche zeigen, könnten sie in den 50ern auch tannengrün gewesen sein. Ich habe mich schließlich für einen schwarzen Anstrich entschieden - einfach so, weil die schwarze Farbe gerade in Reichweite herumstand:
Ein wenig Farbe - und schon ist es unsichtbar geworden, das Blech. Ein richtiges Stealth-Blech eben. Sieht wieder einmal keiner – und musste dennoch unbedingt sein!
Und nun noch Ferdinand, der Schaffner, dann Deckel drauf und los geht’s:
Nun, so einfach ist die Sache auch hier nicht. Ferdinand sträubt sich nämlich. Wer Ferdinand genauer betrachtet und weiß, wie Schaffneruniformen bei den ÖBB (und bei den DB) um 1955 aussahen, ahnt, was das Problem ist, und warum ich mich mit Ferdinand kommende Woche recht intensiv beschäftigen möchte.
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@ Axel: Auch ich bin hingerissen von den tratschenden Hausfrauen mit ihren "ganz normalen" Figuren und von den rastenden Landarbeitern. Sie verströmen genau meine Philosophie, stets in natürlichen Positionen glaubhaft auszuharren und nicht in hektischen Bewegungen erstarrt zu sein.
@ Gregor: Mit dem ersten Foto des heutigen Beitrages sollte deine Frage zumindest zum Teil beantwortet sein...?
@ Michael: Auf P87 habe ich blutenden Herzens verzichtet. Natürlich wäre auch das Herstellen von Rädern möglich gewesen, eine Emco-Drehmaschine besitze ich ja. Aber das hätte nochmals Jahre gebraucht, und ich bin nicht mehr der Allerjüngste. Dazu kam die irgendwann die Erfahrung, dass man bei entsprechender Beleuchtung (von oben) und entsprechend starkem Schatten schon aus zwei Metern Entfernung die Spurkränze von der Seite oft gar nicht mehr sehen kann...
Euch allen vielen Dank für eure netten Kommentare!
Ein schönes Wochenende wünscht euch
euer Karl