Hallo Stummis,
mag ja sein daß ich müde war gestern Abend - aber mit dem Schlafen wurde es dann doch nichts. Ich habe stattdessen mal ein paar Daten und Fakten zum Amt Burgrainstedt und den dazugehörigen Gemeinden recherchiert, die ich Euch gerne hier zur Verfügung stellen möchte.
An der Materie Interessierte möchte ich zusätzlich auf die Festschrift "Burgrainstedt - 915 Jahre machen Geschichte" (Eigenverlag, Willbeck 1963) des mittlerweile pensionierten Oberstudiendirektors Dr. Ernfried Schulte-Apten hinweisen, die eine große Fülle weiterer Anekdoten rund um Burgrainfeldt bereit hält. Insbesondere das geheime Archiv Schulte-Aptens scheint ein wahrer Quell an Sekundärliteratur zum Thema zu sein!!!
Doch nun zur Sache an sich:
Informationen zum Amt Burgrainstedt
(Stand: 01.04.1964)
Räumliche & geographische Lage
Burgrainstedt sowie die zugehörigen Gemeinden dürfte sich im näheren Einzugsbereich des Märkischen Kreises unschwer auf jeder geeigneten Land- bzw. Strassenverkehrskarte finden lassen. Es ist somit dem nordwestlichen Sauerland zugehörig sowie zum Regierungsbezirk Arnsberg.
Die höchste Erhebung ist der Grobwacken mit 513 m ü.NN., der niedrigste Punkt mit 121 m ü.NN. am Flüßchen Liese, welches das Amtsgebiet südlich des Rainstedter Sees durchzieht.
Gliederung des Amtsbezirkes
Burgrainstedt stellt mit seinen ca. 41.000 Einwohnern (Erhebung des Einwohnermeldeamtes von 1962) die größte und zugleich einzige Stadt des Amtsbezirkes dar. Weiterhin zugehörig sind die Gemeinden
- Kriechberg
- Willbeck
- Ostenrade und
- Oggertshausen
Der gesamte Amtsbezirk umfaßt lt. O.g. Erhebung 64.203 Einwohner
Politik
Burgrainstedt wird seid der Gründung der BRD kontinuierlich durch die Christlich Demokratische Union (CDU) regiert. Dem derzeitigen hauptamtlichen Amtsrat (und gleichzeitigem Bürgermeister von Burgrainstedt) Hans-Herrmann Opterhusen gelang es im Rahmen der Kommunalwahlen im Herbst 1963, den Herausforderer von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) Martin Stolle in einer Stichwahl zu bezwingen.
Weitere Parteien sind im Rathaus derzeit nicht vertreten.
Amtswappen
Das Wappen des Amtes Burgrainstedt zeigt, durch einen schwarz-weissen Schachbalken geteilt,
- oben einen Hermelin auf scharlachroten Feld
- unten zwei goldene Kronen auf weissem Grund
Ein Antrag des Direktors des städtischen Gymnasiums Dr. Ernfried Schulte-Apten auf Ersetzung des Hermelins durch ein Mammut im Jahre 1960 wurde vom Stadtrat ohne Gegenstimmen abgelehnt.
Städtepartnerschaften
Seit 1956 bestehen Städtepartnerschaften mit dem englischen Hastings sowie dem belgischen Belle Alliance. Alljährlich im Juni findet auf dem Kaiser-Wilhelm-Platz (vor dem Heimatkunde-Museum) ein zweitägiges Partnerschaftsfest statt, in dessen Verlauf die Jugend der partnerschaftlich verbundenen Städte zum nunmehr schon traditionellen Eberkopf-Lauf antritt, bei dem ein präparierter Wildschwein-Kopf in einem Staffellauf durch die Altstadt getragen wird.
Wirtschaft und Infrastruktur
Im Amt Burgrainstedt sind in erster Linie mittelständische Unternehmen repräsentiert. Hervorzuheben sind insbesonders die Metallverarbeitende Industrie sowie Betriebe der Holz- und Fortswirtschaft. In den vergangenen Jahren wurde auch überregional die Brauerei Willbecksbräu aus Willbeck bekannt. Diese wurde im vergangenen Jahr (sehr zum Unmut der ortsansässigen Bevölkerung) von einer Kölner Großbrauerei übernommen.
Verkehrstechnisch bedeutsam ist die Nähe zur Ruhr-Sieg-Bahn. Der Bahnabzweig am Rainstedter See verbindet Burgrainstadt direkt mit dieser.
Hervorzuheben ist ebenfalls die räumliche Nähe zum Bahnbetriebswerk Letmathe, von dem es allerdings gerüchteweise heißt, die Bundesbahn könnte vorhaben, dieses in näherer Zukunft wegen fehlender Wirtschaftlichkeit zu schließen.
Eine kurzer Streckenabzweig verbindet Burgrainstedt mit Willbeck und dient vornehmlich den dort beheimateten Drahtziehereien zu Transportzwecken.
Kultur
Das stadteigene „Parktheater Teutonia“ genießt überregionale Bekanntheit für seine ebenso werktreuen wie humorlosen Aufführungen deutscher Klassiker. Es gastierten in den vergangenen Jahren zunehmend auch Ensembles auswärtiger Theater, im vergangenen Jahr sogar aus Berlin (West)!
Das Männer-Musik-Collegium „Heimatklang“ erfreut seine Zuhörer monatlich mit ausgewählten Chorwerken, die z.T. vom Chorleiter Dr. Ernfried Schulte-Apten eigens zu diesem Zwecke komponiert werden.
In Ostenrade finden zweijährlich im August die beliebten „Klosterspiele St. Katharina“ statt, welche vor der Kulisse des verfallenen Katharinen-Klosters historische Begebenheiten aus dem Amtsgebiet zur Handlung haben.
Kriechberg ist Geburtsort des zeitgenössischen Malers Manfred Mühe, dessen abstrakte Arbeiten zuletzt in Basel und St.Etienne großen Anklang fanden.
Sport
Burgrainstedt ist Heimat des Eisstockschützenvereins „Viktoria Rainstedt“, der sich seit vielen Jahren erfolgreich gegen die zahlreiche Konkurrenz aus Oberbayern und dem Allgäu in der obersten Bundesklasse behaupten kann.
Regionaltypisch sind die in allen Gemeinden des Amtes vertretenen Reitsportvereine.
Der „Verein für Bewegungsspiele VfB Willbeck“ hat sich seit Mitte der 50er Jahre erfolgreich der Förderung der Rhythmischen Sportgymnastik verschrieben und kann seit den Weltmeisterschaften im vergangenen Jahr auf einen 5. Platz beim Keulenschwingen durch Maria Meyer-Mutlos verweisen.
Geschichte des Amtsbezirkes
Prähistorie
Erste Spuren menschlicher Besiedelung lassen sich bis ins Neolithikum zurückverfolgen. Bundesweit bedeutsam wurde 1957 der Fund des „Willbecker Mammutjägers“, eines vermeintlichen Knochenfragmentes (Bruchstück eines Hummerus?) aus der Jungsteinzeit im Umfeld der Burg Wildberg. Auf Basis dieses Knochenfragmentes begründete der Leiter der Burgrainstedter Prähistorischen Vereinigung Dr. Ernfried Schulte-Apten im Jahre 1959 die Theorie vom „Homo Erectus Willbeckiensis“, der seinern Ausführungen zufolge ein direkter Verwandter des Homo Neanderthalensis, diesem jedoch in vielerlei Hinsicht überlegen gewesen sei. Nach Veröffentlichung seiner Theorie im Jahre 1960 kam es zu einem öffentlich ausgetragenen Streit zwischen Schulte-Apten und dem Leiter der Prähistorischen Fakultät Wuppertal Prof. Diethmar Steinloh, welcher Schulte-Apten des „Ausbrütens infantil-wissenschaftlichen Unsinns“ bezichtigte und eine genaue Untersuchung des Knochenfragmentes forderte, welches er als Teil eines Hundeskelettes aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert vermutete. Der Streit konnte nicht beigelegt werden, weil das fragliche Fragment zwecks Zusendung zur genaueren Untersuchung an das Kriminaltechnische Institut Münster (Prof. Boernchen) nicht mehr aufgefunden werden konnte. Der von Schulte-Apten 1959 ins Leben gerufene „Verein zur Rettung des Willbecker Mammutjägers“ ist seit diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Öffentlichkeit aktiv geworden.
Mittelalter
Auf dem Gelände der Burg Wildberg lassen sich Überreste einer früh-mittelalterlichen Wallburg nachweisen, einer Schutzburg, welche die ortsansässige Bevölkerung im Falle von räuberischen Überfällen aufsuchen konnte (was im 6. nachchristlichen Jahrhundert des Häufigeren vorkam). Sprachhistoriker vermuten, daß der heutige Name der Burg „Wildberg“ durch mehrfache Lautverschiebung aus dem ursprünglichen „Wallburg“ entstanden sein könnte. Es gibt jedoch auch Belege dafür, daß der Name der Burg im Spätmittelalter aufgrund der dort vorherrschenden, lockeren Moral entstand. Die Burg wird urkundlich erst 1484 erstmals als „Burck Wiltbehrg“ aufgeführt (Kölner Kodex Manessius), zuvor taucht sie lediglich zweimal als „Zwingkfeste derer von Ohstenrade“ in einem Sterbebuch der Willbecker Kantonatskirche aus dem Jahre 1161 auf.
Der Überlieferung nach begannen die Brüder Gernot und Wolfhilf von Ostenrade im Jahre 1048 mit der Befestigung des Burgberges an Stelle der Alten Wallburg, zunächst durch eine hölzerne Motte, später dann durch Hinzufügen steinerner Wehranlagen sowie eines Bergfriedes (der heutige bauliche Zustand der Burg resultiert aus einer sehr freien Rekonstruktion aus dem Jahre 1907). Angeblich wurde ihnen die Stelle zur Burggründung durch ein weisses Frettchen mit goldener Krone aufgezeigt, welches ihnen während einer Jagd auf dem Burgberg erschienen sei. Dieses Frettchen fand später Einzug in das Burgrainstedter Wappen in Form des Hermelins. Wahrscheinlich ist der wahre Grund jedoch die günstige strategische Lage der Burg, konnte von dieser aus doch der stark frequentierte Zollweg von Iserlohn nach Wipperfürth überwacht werden.
Ein ausgestopfter Hermelin wurde bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Stadtkirche von Rainstedt auf einem Seitenaltar ausgestellt, der weitere Verbleib ist ungeklärt. Der Vorsitzende des Burgrainstedter Kriegervereins, Dr. Ernfried Schulte-Apten vermutet, daß der Hermelin zu Beginn des 19. Jahrhunderts von napoleonischen Truppen erbeutet wurde und diesem im Verlaufe der Schlacht von Borodino 1812 verloren ging, nachdem Kosaken das Zelt des französischen Kaisers geplündert hatten. Für diese Annahme gibt es jedoch keine schlüssigen Belege.
Als gesichert kann hingegen gelten, daß eine kleine goldenen Krone, die ursprünglich zur Ausstaffierung des ausgestopften Hermelins gehört hatte, während der Befreiungkriege 1814 eingeschmolzen wurde, um zur Aufstellung des Rainstedter Landwehrbatallions beizutragen.
Das Geschlecht derer von Ostenrade starb Mitte des 13. Jahrhunderts aus, nachdem mehrere Familienmitglieder ihr Leben auf verschiedenen Kreuzzügen ins Heilige Land verloren hatten und die Burg sowie Dorf Wildberg und die zugehörigen Ländereien mangels eines männlichen erbberechtigten Nachkommens 1262 an den Erzbischof von Köln fielen. Dieser vereinigte die Ländereien mit seinem Besitztum Rainstedt, wodurch im Wesentlichen bereits die Grenzen des heutigen Amtsbezirkes festgelegt wurden. Aus verschiedenen Quellen geht hervor, daß 1288 das „Ammt Rainstett“ 2 Ritter, 11 Edelknappen sowie mehrere Dutzend Mann Fußvolk unter Führung eines gewissen „Junker Jörg“ zur Unterstützung des Kölner Erzbischofes Siegfried von Westerburg im Rahmen des Limburger Erbfolgestreits entsandte, welche bis auf einen Edelknappen sämtlich in der Schlacht von Worringen ihr Ende fanden. Angeblich geht der Schachbrettbalken des Burgrainstedter Wappens auf diese Schlacht zurück, in der besagter Edelknappe ein Schachbrett aus dem Zelt eines Ritters des Grafen Walram von Jülich erbeutete, in dem er sich versteckt hatte, nachdem er Zeuge des Untergangs des Erzbischöflichen Heeres wurde.
Ungeachtet dieser Niederlage verblieb das Amt Rainstedt im Besitze des Kölner Erzbischofes bis zum Eintritt des Reichsdeputationshauptschlusses im Jahre 1803. Der Erzbischof erhielt Legenden zufolge 3 Wagenladungen Burgunder Weines zur Kompensation und fand sich „gut bedienet“ mit diesem Tausch.
Forschungen des Schriftführers des Heimatkundevereins Burgrainstedt, Dr. Ernfried Schulte-Apten zufolge hat ein unehelicher Nachkomme derer von Ostenrade im Jahre 1493 als blinder Passagier an Christopher Columbus zweiter Amerikafahrt teilgenommen und von dort große Reichtümer mitgebracht. In zeitgenössischen Quellen findet dieser blinde Passagier (von Schulte-Apten als „Reinholdus Ostenradus“ bezeichnet) jedoch keine Erwähnung.
Neuzeit
Nach dem Ende des Königreichs Westphalen ging das Amt Rainstedt infolge der Festlegungen des 2. Wiener Kongresses 1816 auf das Königreich Preussen über. Hierdurch wurde die moderne Geschichte von Stadt und Amt entscheidend geprägt. Rainstedt (seit einer kleinen Gebietsreform im Jahre 1823 nunmehr Burgrainstedt genannt) wurde zu einer kleinen preußischen Verwaltungsstadt ausgebaut.
Aus dieser Zeit stammt auch der überregional bekannt gewordene Namenswechsel des Ortes Willbeck. Dieser hatte ursprünglich bis ins Jahr 1858 in Anlehnung an die Burg „Dorf Wildberg“ geheißen. Als nun in nämlichen Jahre die Bahnstrecke nach Dorf Wildberg geplant wurde, unterlief dem unlängst erst aus dem brandenburgischen Neuruppin nach Burgrainstedt versetzten preußischen Bahnbeamten 3 Klasse Karl Stollwergk ein entscheidender Fehler, da er bei Verfassen der Bauantragsunterlagen an das Riegerungsdirektorium Arnsberg aufgrund fehlender Ortskenntnis und schlecht leserlicher Vorlagen anstatt „Wildberg“ den Namen „Willbeck“ in die Anträge eintrug, welcher ihm als typisch Westfälischer Ortsname plausibler erschien. Der Irrtum wurde erst bei der offiziellen Eröffnung der Bahnstrecke durch den Königlich-Preußischen Bahndirektor Guntram v. Zersieffen am 03. September 1861 gewahr, als bei der Enthüllung des Bahnhofsschildes durch besagten Bahndirektor der Fehler offenbar gemacht wurde. Trotz mehrmaliger Eingaben des Burgrainstedter Bpürgermeisters beim Regierungsdirektorium in Arnsberg beschied diese übergeordnete Behörde, mit dem Namen „habe es schon seine Richtigkeit“, worauf seit dieser Zeit Dorf Wilsdberg als Willbeck bekannt wurde.
Dem Begründer der Willbecker Abstinenzlervereinigung Dr. Ernfried Schulte-Apten zufolge wurde der Bahnbeamte Stollwergk drei Jahre nach seinem folgenschweren Irrtum nächtens von einem betrunkenen Mob im Burgrainstedter Freudenhaus aufgegriffen und zu Tode geprügelt. Kirchenurkunden belegen jedoch, daß besagter Stollwergk bereits 1859 zurück nach Neuruppin versetzt worden war, wo er erst 1903 im hohen Alter von 94 Jahren infolge eines Jagdunfalls zu Tode kam.
Den literarisch Interessierten könnte evtl. auch der Name des Otto Wenzeslaus ein Begriff sein. Dieser - in Kriechberg gebürtige - erklärte Salon-Revolutionär war ein enger Freund des Badenser Co-Salon-Revolutionärs Georg Herwegh und ist vielen Schülern mit seiner Ode „Wach’ auf, Volk der Westphalen Du“ in sagen wir einmal lebhafter Erinnerung geblieben. Freilich war diese Ode mehr oder weniger bei Herweghs „Bundeslied“ abgekupfert und zudem noch schwülstiger als das Original ohnehin schon war. In den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts geriet Wenzeslaus zuhends in Vergessenheit. Er starb – unbemerkt von der Öffentlichkeit – mittellos im Jahre 1877 im französischen Exil.
Schlußendlich sei noch darauf hingewiesen, daß der Namenszusatz „am Kamp“ infolge einer weiteren, minderen Gebietsreform im Jahre 1874 der Stadt Burgrainstedt hinzugefügt wurde. Die genauen Gründe dafür sind heute unbekannt. Allerdings hat der Amateur-Militärhistoriker Dr. Ernfried Schulte-Apten unlängst auf einer Versammlung der Literarischen Gesellschaft Burgrainstedt in der Gastwirtschaft „Haus Berchthold“ die Meinung vertreten, der Namenszusatz „am Kamp“ hätte zur Erinnerung an das 4. Westfälische Jägerbatallion gedient, das von 1864 – 1893 in Burgrainstedt stationiert gewesen sei und das in der Schlacht bei Gravelotte im August 1871 eine maßgebliche – und Schulte-Apten zufolge heroische – Rolle im Kampf gegen das französische Heer gespielt hätte. An diesen historischen Kampf hätte der Namenszusatz „am Kamp“ erinnern sollen. Dem wird von militärhistorischer Seite entgegengehalten, es hätte ein solches Batallion nie gegeben, bei den in Burgrainstedt stationierten Soldaten hätte es sich in Wahrheit um kasernierte Gendarmen gehandelt, und die Truppen, denen bei Gravelotte eine Schlüsselrolle zugekommen wäre, wären sächsische Grenadiere gewesen. Die Diskussion hierüber ist bis heute noch nicht abschließend beendet.
So, soviel heute zur Burgrainstedt und Umgebung.
Es verbleibt grüßend Euer Erster Esel (der zwar ein erster Esel sein mag, gemeint ist aber eigentlich der ERGSTER ESEL)