Hallo Zusammen,
als Brauer, wenn auch nur Hobbybrauer, muss ich mich mal dazu einmischen.
Ober- und Untergäriges Bier bezieht sich primär auf den Gär- und späteren Reifungsprozess. Ein untergäriges Bier muss nicht die ganze Zeit bei kalten Temperaturen gelagert werden, d.h. ein Transport kann auch ungekühlt erfolgen.
Die meisten Bierwagen waren BEHEIZBAR, damit das Bier im Winter beim Transport nicht einfriert. Aber auch Eiskühlung wurde gemacht, nicht um die 4-8°C untergäriges Bier Temperaturen zu erhalten, sondern damit es im Sommer nicht zu warm >30°C wird, denn das tut dem Bier geschmacklich nicht gut.
Zum Export und Alkoholgehalt, sorry, 6-8% Alkoholgehalt KILLT KEINE BAKTERIEN, das ist Schwachsinn und die Stammwürze ist gänzlich ohne Belang. Es ist tatsächlich der Hopfen, dessen Bitterstoffe und Öle antibakterielle Wirkung.
Das Untergärige Bier vergärt deutlich Langsamer als Obergäriges Bier und ist daher sogar anfälliger für Bakterien. Die Würze wird ca. 90 minuten gekocht, da kann man davon ausgehen das sie ausreichend Steril ist.
Nach dem Anstellen der Würze, also dem zufügen von Hefe beginnt des Gärprozess uns es fängt ein Wettlauf um den Zucker an, bei dem tunlichst die Hefen schnell die Oberhand gewinnen sollen, um somit andere Pilze und Bakterien die dazukommen können zu verdrängen. Und da ist Obergäriges Bier klar im Vorteil nach 2 Tagen ist kein Zucker mehr da. Das Untergärige Bier muss erst abkühlen, und im vergleich zum Obergärigen ist nach 2 Tagen noch genug Zucker da. Die 8°C Gärtemperatur verhindert nicht sehr effektiv das Bakterienwachstum. (wenn das so wäre müsste Hackfleisch nicht bei 2°C gelagert werden)
Es sehr schönes und gutes Buch zu dem Thema ist: Geschichte der Eisenbahn-Bierwagen: Das erste Frachtgut deutscher Eisenbahnen: Bier
Im genanntem Buch wird sehr detailliert beschrieben wie im späten 19. Jahrhundert die Brauerei Hacker aus München ihren Pariser Importeur beliefert hat. In Eisgekühlten Wagen die Versiegelt die verschiedenen Länder in 14 Tagen von München nach Paris befuhren.
Die Biere die wir mit großem Markennamen heute noch kennen, sind die Biere die bereits Ende des 19. Jahrhunderts auf Expansionskurs waren und ihr Bier weiter weg Vertieben haben, weit mehr als 1-2 %.
Ansonsten, stimmt es schon, die kleinen Brauereien haben ihr Bier rund um den Kirchturm vertrieben.
Grüße aus München
Micha
PS: Morgen wird ein Indian Pale Ale gebraut. Das Indian bezieht sich auf die Exportmöglichkeit bis nach Indien, das Bier wird nicht aber stärker gebraut und dann verdünnt. Es hat aber hat deutlich mehr Hopfen als z.b. ein Jever.