Hallo
Letzthin hatte ich im Abstand von wenigen Tagen die Möglichkeit die grössten Gegensätze in der Stellwerktechnik anzusehen.
Am 29 April wurde die Betriebszentrale Olten besichtigt. Die wurde letztes Jahr nach und nach in Betrieb genommen.
Bis Ende 2016 sollen praktisch alle SBB Linien von den 4 Betriebszentralen: Ost im Flughafen Zürich, Mitte in Olten, Süd in Polleggio, und West in Lausanne, ferngesteuert werden.
Die SBB bietet gratis Führungen in den BZ an. Ausnahme ist das BZ Ost, weil das im Sicherheitsbereich des Flughafens Zürich liegt.
Wer Interesse hat, schaue hier:
https://www.sbb.ch/freizeit-ferien/tages...szentralen.html
Das Gebäude in Olten wurde neu erstellt:
Vorher musste aber die alte Lehrwerkstatt der Hauptwerkstätte Olten weichen. Die wurde am 15. August 2012 gesprengt:
Die Sprengung fand um 0.35 statt und der Zugsverkehr wurde lediglich 20 Minuten lang unterbrochen: Der letzte Güterzug fuhr um 0.30 durch und der nächste bereits um 0.50 Uhr.
Nun, heute siehts anders aus.
Hier ein (Test-) Arbeitsplatz eines Zugverkehrsleiters:
Mit den ILTIS Bildschirmen. Rechts oben der Bahnhof Ziegelbrücke.
Rechts die Fahrplanbildschirme des Rail Control Systems:
Die dünne, horizontale Linie zeigt die aktuelle Zeit an und wandert mit.
Das Fahrplansystem vergleicht jeweils Soll- und Ist-Zustand. Konflikte werden frühzeitig erkannt und können in Ruhe gelöst werden.
Hier ist auch die Möglichkeit vorhanden, zur adaptiven Zugslenkung. Das heisst dem Lokführer wird die optimierte Fahrgeschwindigkeit mitgeteilt, damit er keine Signalhalte hat.
Wers genauer wissen will:
http://it15rail.ch/downloads/presentatio...DL_IT13rail.pdf
Hier nochmals eine Übersicht über den Arbeitsplatz:
Die Bezirksverteilung sieht so aus:
Es bestehen die Bezirke Pilatus, Gurten, Mittelland, Südbahn, Aare und Birs.
Die Bezirke sind dann weiter unterteilt in einzelne Korridore. Wie zum Beispiel in Bözberg, Brugg und Freiamt im Sektor Südbahn.
Die einzelnen Bezirke sind etwa so angeordnet, wie die Züge laufen. Im Bild gut sichtbar die West – Ost Transversale rot und die Nord Süd Achse blau:
Das technische Zentrum (TEZ) befindet sich ebenfalls im Raum. So sind kurze Wege bei Störungen gewährleistet.
In der Mitte ist die HOT Zone. Dort befinden sich im Störungsfall die Entscheidungsträger.
Bei Störfällen tritt ein eigenes Szenario in Kraft. Die Entscheidungsträger ziehen, je nach Funktion farbige Westen an. Somit ist für jedem im Raum klar, wer für was zuständig ist. Eine Reportage findet sich hier:
http://www.limmattalerzeitung.ch/limmatt...en-an-128919149
Etwas kommt auch noch hinzu: In der Schweiz ist in den Fahrdienstvorschriften festgehalten, dass bei Abweichungen vom Normalbetrieb zwingend Checklisten ausgefüllt werden müssen.
Laut Aussage des Führers ist das auch so umgesetzt. Man ist sich bewusst, dass unter Umständen die Ausfüllung einer Checkliste einen Zeitverlust bedeutet, gibt aber dem Sicherheitsgewinn durch die Listen den Vorzug.
Grundsätzlich ist zu sagen, dass diese Einteilung flexibel ist: Sollte ein BZ ausfallen, kann jedes BZ jede Station bedienen. Auch in den Bezirken ist man flexibel: je nach Tageszeit und Auslastung werden dem Zugsverkehrsleiter mehrere Korridore zugeteilt.
Nachher gings dann zuerst mal in den Keller zur Energieversorgung. Dort waren die 2 Generatoren zu sehen:
Die Stromversorgung ist natürlich redundant ausgelegt, das heisst die Netzanspeisung erfolgt von zwei Seiten. Und dann kommt noch die Notversorgung über die Diesel dazu. Laut unserm Führer sollen die Notstromgruppen den Betrieb für 72 Stunden sicherstellen.
In den Rechnerraum unter dem Kontrollraum konnte man auch reingucken. Im Kontrollraum befinden sich aus Lärm- und Klimagründen keine Rechner.
Die Raucherecke auf dem Dach ist selten schön gelegen
Rechner erzeugen Wärme. Daher ist die Lüftungszentrale nicht von schlechten Eltern:
Und nun kommt der grosse Moment:
Der Blick in den Kontrollraum:
Im Vordergrund der Bezirk Gurten (Bern und Umgebung)
Der Zugverkehrsleiter hat links oben einen Bildschirm mit Kamera eingeschaltet: Das ist eine Station mit Gruppenausfahrsignalen in der Kreuzungen stattfinden. Mit der Kamera überwacht er das Geschehen.
Probleme werden diskutiert:
Nach dieser Besichtigung, die ich jedem empfehlen kann, sehe ich durchaus die Vorteile dieser Zentralisierung. Ich glaube, dass mit der Arbeit im Team die Sicherheit durchaus wächst. Man kann jetzt spintisieren, was geschehen wäre, wenn ein gewisser Fahrdienstleiter in so einem BZ die Ersatzsignale gegeben hätte.
Dass bei Problemen jederzeit eine Ansprechperson greifbar ist, kann nur von Vorteil sein.
Und nun das Kontrastprogramm:
In Biel Rangierbahnhof (Biel RB), sozusagen fast in Sichtweite von Olten, befinden sich die zwei letzten mechanischen Stellwerke auf dem Netz der SBB. Auch sind hier die letzten Formsignale zu bewundern.
Grund genug das sich mal anzusehen.
Das Stellwerk befindet sich bei der Haltestelle Biel Mett, so dass man völlig legal zur Ausfahrgruppe kommt.
Zu sehen ein Semaphor- Ausfahrsignal und zwei Rangierverbotssignale in der Stellung „Rangieren erlaubt“.
Die Rangierverbotssignale heissen übrigens im Jargon „Sagbock“ (Sägebock) und ist das einzige Signal das ich kenne, das von beiden Seiten gilt!
Hier zwei weitere Semaphore und ein geschlossener Sagbock:
Aufgrund des hohen Grases in der bewirtschafteten Wiese habe ich auf eine Aufnahme von vorne verzichtet. Was aber nicht ist, kann noch werden!
Freundlich wie man ist, habe ich mich vor dem Betreten der Wiese beim Stellwerker vorgestellt und ihn um Erlaubnis gefragt, sie zu betreten. Diese wurde auch anstandslos erteilt.
Nach den ersten Bildern hat er mich dann gefragt, ob ich das Stellwerk besichtigen wolle.
Natürlich wollte ich.
Vorne die Hebelbank mit den blauen Weichen- und den roten Signalhebeln. Die braunen Kästen im Hintergrund sind die Magnete der Gleisbelegung. Die verhindern das Umlegen der Weichen unter dem Fahrzeug. Die Umgehung ist unter der plombierten Klappe mit Zählwerk.
Der Gleisplan. Interessant ist, dass die Semaphore als Lichtsignale dargestellt werden.
Der Bahnhofsblock. Hier wurde vom Befehlsstellwerk die Freigabe für die entsprechende Fahrstrasse gegeben. Unten die Fahrstrassenhebel. Die konnten nur gezogen werden, wenn die Freigabe vom Befehlsstellwerk da war, und alle Weichen in der richtigen Lage waren. Der Fahrstrassenhebel verschliesst einerseits die Weichen. Ein Umlegen der vom entsprechendn Fahrstrassenhebel ist dann nicht mehr möglich. Andererseits gibt er dann den Signalhebel frei, der wiederum den Fahrstrassenhebel verschliesst, wenn das Signal auf Fahrt gestellt wird.
In den Aufsätzen über dem Holzteil befinden sich Wecker. Die klingeln, wenn eine Freigabe erfolgt. Da die Einfahrten von Lausanne aus gestellt werden, ist ein Teil des Bahnhofblocks ausser Betrieb.
Die Signalhebel: 4 Sagböcke und 2 Semaphore werden von hier aus gestellt:
Bei den Semaphorhebeln sind an der Drahtseilscheibe unten flache Zähne zu sehen: Diese sind für die Umkehrsperre. Damit wird ein nur teilweises Ziehen des Signals verhindert, das zur Umgehung des Blocks benützt werden könnte. Sobald der Signalhebel vor der Endlage wieder zurückbewegt wird, spannt sich ein federbelasteter Winkelhebel, der dann das zweite Ziehen verunmöglicht.
Teilauschnitt der Fahrstrassenbank. Ganz rechts die Zustimmung zum andern Stellwerk. Das ist eine Art Fahrstrasse über beide Stellwerke. Wenn die Fahrstrasse in diesem Stellwerk festgelegt ist, gibt er mit diesem Hebel die Zustimmung zum andern Stellwerk, dass dann den Rest der Fahrstrasse einstellt.
Das Ganze ist vollmechanisch verriegelt:
Mal in der einen Lage:
Mal in der Andern:
Natürlich alles aus heimischer Produktion:
Was geschieht nun, wenn eine Weiche aufgeschnitten wird?
Am Stellhebel ist eine rote Scheibe. Die muss sich immer beim Stellhebel befinden.
Wird die Weiche nun aufgeschnitten, verdreht sich der Teil der Drahtseilscheibe die mit dem Drahtseil verbunden ist, während der Teil mit dem Stellhebel in der Hebelbank eingeklinkt bleibt. Dabei zerreisst es ein Plombe.
Die Scheibe und der Hebel sind dann nicht mehr nebeneinander. Um diesen Zustand wiederherzustellen, müssen die beiden Scheiben mit einem Spezialschlüssel wieder richtig gestellt werden. So wie hier freundlicherweise demonstriert (Die Weiche war natürlich nicht aufgeschnitten):
Natürlich muss dann die Weiche zuerst vom Wartungspersonal kontrolliert und die Plombe ersetzt werden.
Unter dem Stellwerk ist dann auch noch einiges vorhanden:
Für die weiter entfernten Weichen sind Spanngewichte eingebaut. Die Drähte gehen dann nach links weg.
Die zwei nebeneinanderliegenden Spanngewichte, je eines für den Zug- und den Nachlassdraht, verkeilen sich gegeneinander, wenn die Spanndrähte, wie es bei einem Stellvorgang geschieht, gegengleich belastet werden. Damit wird verhindert, dass sich nur ein Gewicht hebt, und man im Stellwerk meint, der Stellvorgang sei korrekt abgelaufen.
Bei Temperaturänderungen sind die Drähte beide in die gleiche Richtung belastet, dies erlaubt dann den Gewichten nachzugeben.
Weiter geht’s dann über die Drahtzüge:
Spannstationen:
Zu den Signal- und Weichenantrieben
Die Kurbel dient übrigens dazu, die Signallaterne herunter zu lassen. Zur Petrolzeit ein wichtiges Detail. Lampen wurden übrigens seinerzeit nicht gelöscht, sondern man wusste genau, wieviel Petrol eine Lampe über Nacht brauchte. Genau so viel ist dann eingefüllt worden.
Ich hoffe, der Ausflug hat Spass gemacht.
Ich glaube ein grösseres bahnmässiges Kontrastprogramm ist in der Schweiz nicht möglich.
Ein Bild noch zum Abschied; auch ein Kontrast:
Gruss Heinz