RE: Frage zu Streckenposten

#1 von steve1964 , 14.10.2017 18:57

Tag mitnander,
auf vielen Fotos von Nebenbahn Linien z.B bei der SNCF oder FS sehe ich
kleine Gebäude neben der Bahnstrecke, die Streckenposten.
Was genau war deren Aufgabe ?
Weiß jemand, wie das Leben und der Dienst der Beamten oder Arbeiter
darin aussah ? Manchmal liegen diese Posten fernab jeder Zivilsation,
im Gebirge oder Mittelgebirge, in unwegsamen Gelände,
wie wurden die Leute versorgt ? Hat einmal am Tag ein Zug da gehalten
und Baguette, Vin de pays, Rosé oder Chianti abgeladen ? Oder Brennholz ?
VG
Steve
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RE: Frage zu Streckenposten

#2 von 4 REV ( gelöscht ) , 14.10.2017 19:43

Hallo,

Das läßt sich so nicht einfach sagen. Kannst Du ein Bild linken?


4 REV

RE: Frage zu Streckenposten

#3 von Erich Müller , 14.10.2017 22:53

Hallo,

diese Bahnwärterhäuschen gab es in Deutschland auch, hier meist in Verbindung mit einem Bahnübergang.
Ein paar interessante Details stehen in https://de.wikipedia.org/wiki/Schrankenw%C3%A4rter
Die Versorgung geschah eher in Autarkie: durch Garten und Kleinvieh, das die Wärtersfrau hielt. Wo ein Wegübergang angeschlossen war, wurde übrigens zumindest in Frankreich auch gern die Wärtersfrau für die Wegsicherung in Dienst und Pflicht genommen.
Wie sie in diesen Häusern im 19. Jahrhundert lebten, beschreibt Emile Zola in "La Bête Humaine", deutsch "Die Bestie im Menschen" und von Jean Renoir mit Jean Gabin verfilmt (der einen Heidenspaß hatte, die Lok zu führen!).


Freundliche Grüße
Erich

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RE: Frage zu Streckenposten

#4 von steve1964 , 15.10.2017 20:30

Hallo Erich,
an den Film kann ich mich erinnern, mit einem ganz jungen Jean Gabin.

Auf DSO sah ich diese geniale Foto - und Textdoko von Christian Jobst,
wo er auf stillgelegten Bahnstrecken in Frankreich wandert.
Dort sind zahlreiche aufgelassene Streckenposten in sehr abgelegenen Gegenden.
-
https://www.drehscheibe-online.de/foren/...4928693,4928693
-
Was genau war der betriebliche Sinn ? Was hatten die Leute zu überwachen,
wenn es keine Bahnschranken gab ?

VG
Steve
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RE: Frage zu Streckenposten

#5 von 4 REV ( gelöscht ) , 15.10.2017 21:15

Schöner Bericht, danke für den Link. Meinst Du die Posten 307 und 306? Das sind ganz normale Wärterhäuser. Das Gebäude wird nur als Wohnung für den Wärter und seine Famlie gedient haben; die Technik befand sich vollständig draußen. Oft war die Schranke ein einfacher Schlagbaum, oder ein Rolltor. Hier sind ein paar Grundrisse:

http://www.culture.gouv.fr/public/mistra...&REL_SPECIFIC=3
http://papybricolo.over-blog.com/2016/09...ere-en-pvc.html

und hier ist gibt es Bilder und etwas Text:

http://www.histoire-en-questions.fr/meti...-barrieres.html
http://www.le-blog-de-roger-colombier.co...dans-le-mantois

Die Häuser waren nicht unerreichbar - sie lagen ja an einer Straße. Was La Bête Humaine angeht: Die für uns Fuzzies relevanten Szenen gibt es bei YouTube:

https://youtu.be/wC2RsrXJ_FY

... aber mein Tipp? Lese das Buch von Zola, und anschließend Bahnwärter Thiel von Gerhard Hauptmann. Damit werden zwar Deine Fragen nicht beantwortet, aber literarisch passen die beiden Titel gut zusammen.


4 REV

RE: Frage zu Streckenposten

#6 von steve1964 , 16.10.2017 00:09

Da habe ich mit den Links ja noch mal Glück gehabt,
daß ich zufällig französisch kann ... Ansonsten, ja Zola und Hauptmann
sind bestellt ..
VG
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RE: Frage zu Streckenposten

#7 von mebo , 19.10.2017 16:13

Puh....das ist ein relativ umfangreiches Thema

Generell ist die Frage über welche Zeit wir reden. Bei der Bahn haben wir es mit einer kontinuierlichen Rationalisierung zu tun, die schon wenige Zeit nach Beginn der Eisenbahn-Ära startete. Mit jeder technischen Neuerung wurde versucht den Personalbedarf zu reduzieren.

In der Anfangszeit der Bahn gab es noch keine technischen Kommunikationsmittel zwischen den benachbarten Bahnhöfen, hier gab es Informationsketten zwischen den Wärtern entlang der Bahnstrecke. Die Kommunikation zwischen den Wärtern lief über Sichtkontakt, z.B. über sogenannte optische Telegraphen, bei denen über die Flügelstellung Informationen übertragen wurden. Die Züge fuhren anfangs auch nicht im Raumabstand wie heute (pro Streckenabschnitt nur ein Zug), sondern im Zeitabstand (alle x Minuten ein Zug). Die Wärter mussten deswegen ihren Teil der Strecke im Auge behalten, und wenn ein Zug ein technisches Problem hatte, dann wurde das (zumindest auf stärker befahrenen Strecken) von Wärter zu Wärter weitergegeben, um den nachfolgenden Zug zu warnen und über das Signal "Langsamfahrt" abzubremsen.

Entsprechend waren hier entsprechend kurze Wärterabstände nötig, die Wärter mussten Blickkontakt haben und den Gleisbereich, für den sie zuständig waren, zumindest weitgehend übersehen können.

Außerdem waren die Wärter auch für die Pflege der Strecke verantwortlich, d.h. sie mussten die Gleise regelmäßig überprüfen, kleinere Reparaturen selbst durchführen und bei feuchtem Wetter an Gefällestrecken von Hand Sand auf die Schienen streuen. Das Schließen der Schranken an Wegübergängen war da schon eher eine Nebentätigkeit.

Pro Posten gab es nur einen Wärter, d.h. der Wärter war jeden Tag im Einsatz, und auch so lange wie Bahnbetrieb herrschte. Freie Tage gab es selten, die genaue Menge müsste ich nachschauen, aber ich meine dass ein freier Tag im Monat oder alle zwei Monate für Behördengänge vorgesehen war.

Der Wärter durfte sich dabei, wenn keine besonderen Bedingungen (z.B. schwieriges Wetter) vorlagen, von volljährigen Familienmitgliedern vertreten lassen, musste aber immer anwesend sein um im Fall von Problemen übernehmen zu können.

Der Lohn hat natürlich nicht zum Leben gereicht, deswegen waren die Wärter auch immer noch Nebenerwerbslandwirte und hatten entsprechend Gemüsegarten, Nutzvieh etc. gehalten. Entsprechend finden sich in den Bahnvorschriften zu dieser Zeit auch Vorschriften über das Anleinen von Rindern und andere heute eher amüsant anmutende Regelungen.

Mit dem Wechsel zum Fahren im Raumabstand (Voraussetzung dafür war die Einführung des elektrischen Telegraphen und später des Streckenblocks) war der Sichtabstand zwischen den Wärtern dann nicht mehr nötig, es waren also größere Abstände zwischen den Wärtern möglich. An Bahnübergängen sowie zur Überprüfung der Strecke auf Schäden waren aber dennoch noch Wärter erforderlich, wenn auch weniger.

Mit voranschreitender Technik wurde irgendwann auf die kontinuierliche Überwachung der Strecke verzichtet, so dass wir heute Wärter nur noch an Bahnübergängen, an Blocksignalen etc. kennen. Eine Ausnahme stellen dabei einige Alpenstrecken dar, wo teilweise Lawinenbeobachtungsposten eingerichtet waren (und an besonders exponierten Stellen glaube ich sogar immer noch existieren), die insbesondere bei starkem Schneefall besetzt werden und im Fall eines Lawinenabgangs die Strecke sperren sollen.

Auch die Wärter an Bahnübergängen und Blocksignalen sind inzwischen selten geworden, auch wenn es sie (noch) gibt.


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RE: Frage zu Streckenposten

#8 von Joak , 19.10.2017 18:22

Hallo,

es gab auch noch einige wichtige Aufgaben die der Streckenwärter leisten musste, da es die technischen Voraussetzungen noch nicht gab.

1. Waggons zählen, damit auch keiner verloren geht ...
2. Waggon Räder beobachten ob es sog. Heißläufer gibt (Festsitzen der Bremse)


Grüsse
Hauke


 
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RE: Frage zu Streckenposten

#9 von mebo , 19.10.2017 21:14

Zugbeobachtung selbstverständlich, bei dem Zählen von Waggons wüsste ich jetzt aber nicht woher der Wärter wissen sollte wie viele Waggons in dem Zug sein sollen.

In der Frühzeit der Eisenbahn gab es ja keine sinnvolle Kommunikationsverbindung zwischen den Wärtern (von einfachen optischen Signalen abgesehen), d.h. es gab schlicht keine Möglichkeit Informationen an den Wärter zu übertragen. In diesem Zusammenhang sind auch die zahlreichen Zugsignale zu sehen, die inzwischen weitestgehend ausgestorben sind. So gab es z.B. Signale für "es folgt ein Sonderzug", "es folgt ein Sonderzug in Gegenrichtung" oder "Feierabend" etc. Anhand dieser am Zug geführten Signale wurden die Wärter informiert was an der Strecke so los ist. Die Kommunikation zwischen den benachbarten Bahnhöfen dagegen erfolgte zuerst über den Zügen mitgegebene Botschaften, später dann über Telegraphen. Da die einfachen Wärter nicht morsen konnten wurden die Wärter aber noch sehr lange über die Zugsignale benachrichtigt, später dann etwas technisierter über die Läutewerke und einfache Läutesignale.

Die Feststellung ob der Zug vollständig ist erfolgte daher bereits sehr früh über das Zugschlußsignal am letzten Wagen.


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RE: Frage zu Streckenposten

#10 von Schwanck , 19.10.2017 22:06

Moin Hauke,

Als Heissläufer wird nicht das Festsitzen der Bremse bezeichnet sondern das Festfressen eines Achslagers, was bei Gleitlagern nicht selten war. Bei den heutigen Wälzlagern ist es sehr selten, doch immer noch ungeheuer gefährlich.


Tschüss

K.F.


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RE: Frage zu Streckenposten

#11 von Iceman , 20.10.2017 12:06

Zitat
... bei dem Zählen von Waggons wüsste ich jetzt aber nicht woher der Wärter wissen sollte wie viele Waggons in dem Zug sein sollen.



Ist auch überflüssig, denn hängt der letzte Wagen noch dran, sind die dazwischen logischerweise auch noch da. Nicht umsonst dient das Zugschlusssignal zur Feststellung der Vollständigkeit eines Zuges.


Grüße

Matthias

Niemals eine Möchtegern-Dampflok ohne funktionierende Schieberstange und Treibstangen-Fangbügel auf meiner Anlage!

Bastelvorschlag: Röhrenladung selbstgemacht Teil 06 Stand 31-08-23


 
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