Hi Wolfgang,
eigentlich ist selbst für DC analog das
Zitat
...vereinfacht ausgedrückt erfolgt die Stromaufnahme Schiene links plus und Schiene rechts minus...
nur die halbe Wahrheit, weil für die andere Fahrtrichtung die umgekehrte Polung benötigt wird.
Für AC analog ist das
Zitat
...vereinfacht ausgedrückt erfolgt die Stromaufnahme ... Schiene links und rechts verbunden für minus und Punktkontakte für plus...
schon wirklich falsch, weil, wenn man von den ursprünglichen Märklin Modellbahntrafos ausgeht, hier die Polung gekoppelt an die Drehbewegung des Generators im E-Werk 50 mal von plus nach minus und 50 mal von minus nach plus (gehen wir vom normalen Einphasenwechselstrom in Deutschland aus) wechselt. Da es die Information der festen Polung für eine Fahrtrichtung bei Wechselstrom nicht gibt, brauchte es einen Umschalter in der Lok, der diese Information durch seine Wippenstellung quasi erzeugte, was die Gleichstromgemeinde nicht in den Loks brauchte, da hier die Polung der Fahrspannung während der Fahrt in eine Richtung konstant blieb und somit diese Info quasi in sich selbst trug.
Die analoge Wechselspannung schaltete aber nicht, wie wenn man eine Batterie umpolt, von voller Spannung +/- auf volle Spannung -/+ um und umgekehrt, sonder schwillt in der einen Polung bis zu einer Scheitelspannung an, um nach dem Durchlaufen des Scheitels wieder in spiegelbildlicher Weise abzufallen, dann bei Spannung 0 V umzupolen, und wieder bis zum Scheitel an- und danach abzuschwellen, nach neuerlicher Umpolung ... usw. Da einem durch den ständigen Spannungswechsel und die ständige Umpolerei ein Bezugspunkt fehlt, definiert man bei zwei Leitungen die eine als Masse, das war früher bei Märklin der gesamte Lokkasten, der über die Räder mit den beiden Schienen in direkter Verbindung steht, und die andere als Phase, die mal eine positive Spannung gegenüber der Masse, dann wieder eine negative und dann wieder eine positive gemäß der obigen Beschreibung der Wechselspannung einnimmt. Diese liegt an den Pukos an und steht leitend mit dem Schleifer in Kontakt. Hier ist plus und minus in keinem Fall korrekt.
Trägt man den Verlauf der analogen Wechselspannung gegen die Zeit in einem Graphen auf Papier auf und verbindet die Punkte (interpoliert), erkennt man einen sinusförmigen Verlauf der Wechselspannung. Aus dem Spannungsverlauf einer analogen Wechselspannung ergeben sich zwei Konsequenzen. 1. Die Höhe der Spannung verursacht die Höhe des Stromflusses und dieser bestimmt z. B. die Helligkeit einer Glühlampe. Will man die gleiche Helligkeit einer Glühlampe bei Wechselspannung erreichen wie bei z. B. 16 V Gleichspannung, reicht es nicht, wenn die Scheitel der Wechselspannung jeweils bei +/- 16 V liegen, denn in der übrigen Zeit außerhalb des Scheiteldurchlaufs ist die Spannung ja geringer und zweimal sogar bei 0 V für einen kompletten Sinusverlauf. Die Glühlampe muß bei 16 V Scheitelspannung der Wechselspannung also dunkler brennen als, wenn sie bei einer Gleichspannung von 16 V ununterbrochen dieser Spannung ausgesetzt ist. Will man die gleiche Wirkung mit einer Wechselspannung erzielen wie mit einer Gleichspannung, also eine gleich hell brennende Glühlampe, dann muß man den Durchschnittswert aller Spannungswerte der sinusförmigen Wechselspannung in unserem Fall auf 16 V bringen. Hierzu muß man die Scheitelspannung mit dem Faktor von ca. 1,4 (genau Wurzel 2) multiplizieren. D. h. bei einer Scheitelspannung von 22,4 V erreicht die sinusförmige Wechselspannung effektiv die gleiche Wirkung wie 16 V Gleichspannung, die Wechselspannung hat jetzt effektiv ebenfalls 16 V (im Durchschnitt).
2. Bei den Motoren der Zweileiterloks werden Permanentmagnete eingesetzt, diese bauen ein Magnetfeld auf, auf den Anker oder Läufer wird die Gleichspannung gegeben, auch hier bildet sich ein Feld aus. Die Pole der beiden Felder stoßen sich ab oder ziehen sich an je nach deren Ausrichtung zueinander. Es kommt zu maximal einer halben Umdrehung des Läufers, wenn nicht zum Ende der halben Umdrehung der Kommutator im Motor, der fest auf dem Läufer sitzt, die Gleichspannung im Läufer umpolen würde und somit den Zustand wie vor Beginn der ersten halben Drehung wiederherstellen würde, was die nächste halbe Drehung verursacht. Diesen Vorgang immer hintereinander wiederholt, sorgt für eine fortgesetzte Drehbewegung des Motors. Umpolung der Gleichspannung kehrt das Feld im Läufer um, der Motor läuft bei geeigneter Geometrie rückwärts. Legt man stattdessen Wechselspannung an diesen Motor an so wird die Spannung am Läufer nicht nur durch den Kommutator, sondern auch durch die Spannung selbst umgekehrt. Ist der Motor hypothetisch in Bewegung, wurde der Läufer gerade durch den Kommutator umgepolt und kommt jetzt die Wechselspannung zur Umpolung, so wird nicht die nächste halbe Drehbewegung ungehindert ausgeführt, sondern der Läufer schlagartig in seiner Drehrichtung geändert. Der Läufer versucht jetzt zurückzulaufen. Der Polaritätswechsel einer 50 Hz Wechselspannung findet 100 mal pro Sekunde statt. Bei unserem gedanklichen Motor hat gerade die durch die Umpolung der Wechselspannung verursachte umgekehrte Drehbewegung eingesetzt, da polt die Wechselspannung schon wieder um, was wieder zu einer abrupten Drehbewegungsumkehr führt, ohne daß dies geordnet durch den Kommutator verursacht wird. Diese ungeordnete Änderung des Läuferfeldes einmal durch Wechselspannung zum anderen durch Kommutator führt nicht zu einer Drehbewegung, sondern z. B. zu einem Zittern des Gleichstrommotors unter Wechselspannung. Wenn man jetzt das äußere Feld des Motors, das durch die Permanentmagnete erzeugt wird, im Takt der Wechselspannung umschalten könnte, sollte der Motor wieder laufen. Das kann man, indem man statt Permanentmagneten eine Feldspule verwendet und den Stromkreis über den Kommutator zum Läufer und von dort zur Feldspule leitet. Die Magnetfeldänderungen an Läufer und Feldspule durch die Umpolung der Wechselspannung heben sich auf, es kommt nur die Umpolung des Kommutators zum Tragen, der Motor läuft wieder. Eine Umschaltung der Fahrtrichtung erzeugt man, in dem man die Ausrichtung der Felder zueinander ändert. Das erreicht man, indem die Feldspule streng genommen aus zwei übereinander gewickelte Spulen besteht, die eine entgegengesetzte Wickelrichtung aufweisen. Im Prinzip stört es einen solchen Motor nicht, wenn die Spannung nicht wie bei der Wechselspannung von alleine umpolt, ein solcher Motor wird auch Allstrommotor genannt, da er sowohl mit Gleich- wie mit Wechselspannung läuft, und war lange Zeit Standard bei Märklin.
Jetzt kommt es zu dem Punkt, den Zweileiterfahrer von Dreileiterfahrern unterscheidet und der beide Seiten häufig den jeweils anderen nicht wirklich verstehen läßt. Eine Zweileiterlok kann aufgrund der eindeutigen Polung der Spannung und der Asymmetrie des Schienensystems analog DC gefahren werden. D. h. Eine solche Lok kann zunächst ohne Decoder gekauft, getestet und gefahren werden, man braucht nur einen alten analogen Gleichstromtrafo und die Lok ist weitgehend funktionstüchtig inklusive rudimentärer Lichtfunktion. Bei Dreileiterloks geht das nicht. Entweder sie fahren nur in eine Richtung oder es braucht einen Umschalter. Heute baut man diese aus mehreren Gründen nicht mehr. Zum einen möchte man Loks für beide Systeme entwickeln, die bis auf die Stromaufnahme identisch sind, um Kosten zu sparen. Deshalb sind alle Loks Gleichstromloks. der Umschalter muß also gleichzeitig noch ein Gleichrichter sein. Gleichzeitig haben viele Kollegen, wahrscheinlich besonders auch jüngere, bereits auf digital umgestellt. Jetzt muß der Umschalter also auch noch die Fahrtrichtung erkennen ohne Umschaltimpuls. Somit ist man gleich beim Decoder. In der Zweileitergemeinde kommt dann schnell der Zwangsdecoder als Argument, was von Dreileiterfahrern mit Unverständnis quittiert wird, weil man schon immer einen Fahrtrichtungsschalter brauchte. Das einzige, was man bei beiden Systemen nicht zum unmittelbaren Fahren braucht, ist der Soundanteil eines Decoders, der den Preis nochmals um etwa 50 € für eine Lok anhebt. Hier haben die verschiedenen Hersteller jeweils andere Philosophieen, was regelmäßig zu fruchtlosen Diskussionen hier im Forum führt.
Digitalspannung ist ebenfalls eine Art Wechselspannung. Hier wird ähnlich dem Morsen, das unterschiedliche Rythmen und Längen eines Tones oder eines Stromflusses nutzt, das Muster der Umpolungen zur Infornationsweitergabe zwischen Zentrale und Decoder genutzt. Diese Wechselspannung ist natürlich nicht mehr sinusförmig und hat auch mitunter kurze Pausen, in denen keine Spannung anliegt. Diese Art Wechselspannung muß auch gleichgerichtet werden für die modernen Loks. Das macht alles der Decoder. Die Pausen in der digitalen Wechselspannung sieht man bisweilen, wenn Beleuchtung bei Loks direkt gegen Masse und nicht gegen Decodermasse gelegt wurde.
Als letztes bleibt Dein Einwand mit Zwei- und Dreileiter. Ein normales Verlängerungskabel heißt auch dreiadrig, auch wenn eigentlich außer neben der Phase der Nulleiter und die Erde normalerweise auf gleichem Potential liegen sollten. Die beiden Gleise lassen sich schließlich auch unterschiedlich nutzen, läßt sich z. B. einfach ein Rückmeldung über eine der beiden Schienenstränge realisieren. Jeder Schienenstrang könnte auch alleine selbständig als Masse fungieren, insofern erfüllen sie jeweils schon die Funktion eines Leiters. Zusammen mit den Pukos kann man dann schon von Dreileiter sprechen und dieses System technisch vom Zweileiter unterscheiden.
Das wurde jetzt sehr lang, hoffe, daß ich dennoch zur Klärung beitragen konnte.
Viele Grüße aus BaWü, Stefan