Hallo,
das kommt davon, wenn man den ganzen Schwachmaten glaubt, die einem empfehlen, beim Digitalumbau alle Funkentstörmittel rauszuschmeißen
Hier mal ein paar Denkanstöße:
- die Induktivität einer typischen Funkentstördrossel liegt irgendwo zwischen 1 und 100 Mikrohenry. Die Ankerinduktivität des typischen Permamotors liegt bei einigen 100 Millihenry. Das ist grob überschlagen ein Faktor von 1000 bis 100000. Da es sich um eine Reihenschaltung von zwei Funkentstördrosseln, dem Wicklungswiderstand und der Ankerinduktivität handelt, die die Regelschaltung im Lokdecoder sieht, erreiche ich was genau mit dem Entfernen der Funkentstördrosseln in Bezug auf die Gesamtinduktivität des Motors?
- inzwischen haben viele -auch im Modellbahnbereich verwendete- Kleinmotoren auf dem Kommutator einen mehrteiligen Scheibenvaristor zur Funkentstörung und Lebensdauererhöhung der Bürsten aufgelötet, der zusätzlich zur geforderten Spannungsbegrenzerwirkung auch eine Kapazität im Nanofarad-Bereich mitbringt. Dieser läßt sich nur durch Zerstörung des Motors entfernen. Was genau erreiche ich mit dem Entfernen eines eventuell extern parallel geschalteten Funkentstörkondensators von ein paar Nanofarad?
- die hochgeschätzten Bühler-Motoren haben zum Teil bereits ab Werk im Bürstenschild Funkentstördrosseln eingebaut. Wie entferne ich die, wenn das Entfernen der Entstörmittel vom Hersteller des Decoders empfohlen wird?
- wenn ich bei meinem Digitalumbau die Funkentstörmittel entferne (die von Gesetz wegen aus gutem Grund vorgeschrieben sind), kann ich die Einhaltung der Störgrenzwerte im Frequenzbereich von 150kHz bis 1GHz nachweisen? Tipp: die Meßtechnik und der Schirmraum kosten in der Volksausgabe 200k Euro, nach oben offen.
Die Ausrede "hört ja eh keiner mehr Kurzwelle und Mittelwelle" zählt nicht - Rundfunk ist nicht der einzige Funkdienst in diesem Frequenzbereich, es gibt da z.B. Flugfunk, Amateurfunk, "Dienste", Navigationsfunkdienste für Luft- und Seefahrt, militärischen Funk und so weiter. Und die Bundesnetzagentur hat bei einem Einsatz fette Stundensätze für den Verursacher von Funkstörungen parat - die dann fällige Rechnung entspricht locker dem Gegenwert von ein paar Kleinserienmodellen.
Und nein, abgesehen von vielleicht ein paar Nanofarad am Motorausgang sind auf den allermeisten Lokdecodern, die ich bisher in den Fingern hatte, KEINE Funkentstörmittel drauf. Es kann nämlich durchaus sein, daß doppelt so viel Entstörmittel schlechter wirken! Viel hilft viel ist auch hier ein schlechtes Konzept. Der Decoderhersteller (zumindestens derjenige, der sich mit der Materie auskennt) geht zunächst von einer nach Vorschrift entstörten Lok aus. Für die Einhaltung aller relevanten EU-Vorschriften ist nämlich der Inverkehrbringer der Kombination Lok + Lokdecoder verantwortlich!
Übrigens schützen die Funkentstörbauteile den Prozessor im Decoder vor den energiereichen Störspikes des Bürstenfeuers. Die können zu subtilen Aussetzern, aber auch zum "Umkippen" von CVs im EEPROM und sogar zum Löschen einzelner Speicherzellen des Haupt- (Flash)Speichers führen - wenn es den Bootlader trifft, ist der Decoder spätestens beim nächsten Update unrettbar im Wald...
Die einzigen Entstörkondensatoren, die selbst ich entferne, sind diejenigen, die vom Bürstenanschluß direkt zu einem der Gleisanschlüsse gehen - die können wirklich die Regelung irritieren, da sie das Digitalsignal direkt in die Regelschleife einkoppeln. Analog stört das nicht, aber digital geht das gar nicht. Allerdings habe ich auch die Möglichkeit, bis 2GHz nachzusehen, ob ich irgendwo störe...
Also: wenn eine Lok eine andere Lok stört, würde ich sie gründlich unter die Lupe nehmen:
- Radsätze sauber?
- Stromabnahme tiptop? Keine Wackelkontakte in der Verdrahtung? Liegen alle Stromabnehmer immer satt am Rad an?
- Motor in Ordnung? Kein Ozongeruch durch übermäßiges Bürstenfeuer? Kollektor verölt?
- Funkentstördrosseln drin? Entstörkondensator drin? Bauteile in Ordnung? Keramikkondensatoren brechen gerne!
Falls beim vermuteten Störer alles in Ordnung ist, würde ich dasselbe Programm bei der gestörten Lok nochmal durchziehen.
Gruß,
Rainer