Die Anfangsgarnitur
Es kam der erste Weltkrieg und veränderte vieles. Österreich – Ungarn wurde aufgeteilt in Nationalstaaten, was bedeutete, dass es nicht mehr den einfachen Zugriff auf Kohle- und Erdölvorkommen mehr gab.
Diese Lieferungen mussten nun in Devisen bezahlt werden. So strebte man bereits ab Anfang der 20er- Jahre an, nach dem Vorbild der schweizerischen Gotthardstrecke den Bahnverkehr über den Arlberg bis an den Bodensee auf elektrische Zugförderung umzustellen, denn Wasserkraft zur Stromgewinnung gibt es hier genug. So wurde im Lechquellengebirge der Spullersee als erster Speichersee errichtet und daraus ein Bahnkraftwerk auf der Arlberg – Ostseite, bei Ein Pionierbau ersten Ranges war der Bau der Hochspannungsleitung fr die Bahnstromversorgung über den Arlbergpass. Von der Kohle-Lobby heftig angefochten wurde unbeirrt gebaut, als erstes war der Arlbergtunnel unter Strom. Und Mitte der 20er-Jahre dann das Rheintal erreicht, mit den Endpunkten Bregenz und Buchs.
Dass nun der bisher von der Montafonerbahn mit Gleichstromleitung überspannte Bahnhof Bludenz mit dem Wechselstromfahrdraht der Hauptbahn elektrifiziert wurde, wuchs sich zu einem großen Problem für die private Bahn aus. Nun war es nicht mehr möglich, in den Bahnhof Bludenz einzufahren. Es wurde fieberhaft nach Lösungen gesucht. Ein Verschub im Bahnhof Bludenz mittels Dampflok erwies sich als zu teuer.
Ebenso schlugen Versuche mit einem Akkumulatorwagen fehl, der auf der Strecke im Montafon aufgeladen wurde, und in Bludenz dann den Triebwagen mit Gleichstrom versorgen sollte. Schließlich erhielten die Triebwagen (und in Folge alle weiteren Triebfahrzeuge der nächsten 45 Jahre) ein Hilfsaggregat mit einem Verbrennungsmotor zum Manövrieren unter Wechselstromfahrleitung.
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Abb. 14: Ein seltenes Bilddokument. Die für Verschub in Bludenz vorgehaltene 88.74 (Einmannbetrieb) führt als Ersatz für einen ausgefallenen Triebwagen einen Lokalzug ins Montafon.
Und schließlich war dann der Augenblick gekommen, in dem der Strom eingeschaltet wurde, und die erste Ellok mit eigener Kraft die Werkstätte in Bludenz erreichte.
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Abb 15 „Gruß von der Arlberg- Westrampe – zeitgenössische Postkarte von 1931, vermutlich mit dem Orientexpress Ostende - Bucuresti
Lange hatte sich das Militär aus strategischen Gründen gegen eine „Elektrisierung“ der Eisenbahn gestemmt. Aber die niedrigen zugelassenen Achslasten, die engen Radien, die zu kurzen Ausweichgleislängen in den Kreuzungsstationen waren neben dem weggefallenen Ölbetrieb der Dampfloks und einer dringend erforderlichen Kapazitätserweitung der Arlbergbahn lauter Faktoren, die eine baldige Änderung der Betriebsführung bedingt hatten. So wurde – mit Schweizer Kapital – bereits kurz nach dem 1. Weltkrieg ein Elektrifizierungsprogramm für Österreich aufgestellt. Nun gab es kaum Erfahrungen mit Elektroloks der erforderlichen Leistungsklassen für den Betrieb am Berg. Die Loks sollten das Leistungsprogramm der Reihen 280 und 380 übertreffen. Gefordert war, am Berg 300 t Anhängelast mit 45 km/h zu befördern.
Stand der Technik waren Loks, denen man die Abstammung von der Dampflok ohne große Fantasie ansah. Ein hochgelagerter Großmotor, Kraftübertragung über Kuppelstangen auf die gekuppelten Antriebsradsätze. Mehrere interessante Entwürfe wurden eingereicht., teilweise Loks mit mehreren Motoren in einem gemeinsamen Rahmen, teils Doppelloks. Man unterschied in Loks für den Berg- und den Taldienst auf den Zulaufstrecken, in Güterzug- und in Reisezugloks. Nun kam zugute, dass man in die Schweiz schielen konnte, wo es mittlerweile am Gotthard schon etwas Erfahrungen gab.
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Abb 16: Feierstunde anlässlich der Übergabe der 1029.02 an die BBÖ (1925)
Die Talschnellzuglok der Reihe 1029 erwies sich als zu schwach und zu langsam. Sie hatte die Achsfolge 1’C‘1, und eine Höchstgeschwindigkeit von 75 km/h. Leider war sie zu schwer geraten für die niedrige zulässige Achslast. Also wurde ein Führerstand weggelassen. Ein Schnellzugbetrieb – das zeigte sich recht schnell, war illusorisch, dazu war sie auch in der Ebene zu schwach. Dopelbespannungen wurden die Regel.
Trotzdem verblieb diese Loktype bis 1943 im Vorarlberg im Einsatz, vor Personenzügen und als Vorspannlok auf den Rampenstrecken. Während dem Krieg wanderten ein paar Exemplare an den Hochrhein, an die badische Wiesen- und Wehratalbahn Bad Säckingen – Wehr – Schopfloch – Zell – Basel aus. Versetzt nach Oberösterreich, wurden nach dem Krieg ein paar Exemplare leicht modernisiert und waren so bis Mitte der 70er- Jahre von Attnang – Puchheim aus als Baureihe 1073 eingesetzt. Zwei Exemplare überlebten bei der ÖGEG in Ampflwang im Letztzustand als stationäre Vorheizanlagen, die gezeigte 1029.02 wurde vom SNCB (Schmal- und Normalspurclub Bodensee) mustergültig fahrfähig wieder aufgearbeitet.
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Abb 17: die fabrikneue 1100.102 vor der Werkstätte Bludenz (1925)
Bei den Bergloks orientierte man sich an den Schweizer Krokodil – Loks der Reihe Ce 6/8 II mit der Achsfolge 1’C’C‘1 Die Arlberglok wurde ebenso in gelenkiger Bauart gebaut, durfte aber nur 14,5 t Achslast aufweisen (in Summe war dann die 1100 um etwa 10t leichter als ihr Schweizer Vorbild). Also erfolgte der Antrieb nicht über Blindwelle oder Dreiecks-Kuppelstangen sondern vom direkt in Ebene der Kuppelstangen liegenden Motor direkt auf diese. Die Loks der Reihe 1100 und 1100.100 (in etwas verstärkter Bauart) leisteten 1.800 kWh Stundenleistung am Berg und erfüllten damit das Leistungsprogramm, 7 vierachsige Schnellzugwagen ohne Vorspann zu befördern.
Die 1100 und 1100.100 (bei der ÖBB später als 1089 und 1189) wurden 1943 ebenfalls nach Oberösterreich versetzt und beendeten ihre Laufbahn 1978 als Güterzugloks im Salzkammergut. Erhalten blieben die 1089.06 in Deutschland (Museum in Sinsheim), 1189.02 und 09 im ÖGEG Museum in Ampflwang sowie die 1189.05 im Museum in Strasshof.
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Abb 18: 1080.108 vor einem kurzen Güterzug in Reuthin (1942)
Für den Güterverkehr wählte man eine Interessante laufachslose Bauart mit 3 Motoren und fünf über Kuppelstangen angetriebenen Achsen (Reihe 1080 ). Auch diese bewährte sich nur mäßig und wurde 1927 in einer etwas stärkeren Version (ohne Vorbauten) als Reihe 1080.100 nachbeschafft. Diese verblieb bis zur Ausmusterung 1993 am Arlberg, eingesetzt im Rangier- und Übergabedienst, als Vorspannlok über den Berg sowie bei Lokmangel als Notnagel für alle möglichen Dienste , in den Depots Bludenz und Landeck, zuletzt als Baureihe 1180.
Erhalten blieben die 1180.04 bei der ÖGEG und die 1180.09 als historische Lok in Bludenz.
Die zweite elektrische Generation
Die Entwicklung der Elektroloks machte große Fortschritte. Bereits Ende der 20er – Jahre galten Stangenantriebe mit ihren großen rotierenden Massen als überholt. Der Trend ging hin zum Einzelachsantrieb. So entstand eine „Talschnellzuglok“ der Reihe 1570 mit Einzelachsantrieb und der seltenen Achsfolge 1A‘ Bo’A1 und einem seltenen Vertikalantrieb mit stehenden Motoren. Diesen 4 Probeexemplaren folgte als Reihe 1670 eine Serie von 29 Loks ab 1928, mit einer Höchstgeschwindigkeit von 100 km/ h und einer Stundenleistung von 2350 kWh.
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Abb 19: 1670.25 Anfang der 30er Jahre bei der Ausfahrt Reuthin mit dem Venice – Ostende -Express Venedig – Ostende
Leider waren diese im mechanischen und elektrischen Teil zu leicht ausgeführt worden, weshalb dies erst nachgebessert werden mußte. Letztlich waren dann die Loks 10 t schwerer als geplant. 1932 folgte noch eine verstärkte Nachbauserie (1670.100). Unabhängig vom ursprünglichen Betriebsprogramm entwickelte sich die 1670 in Vorarlberg zu einer echten Universallok, bis zur Abstellung 1983. Es blieben mehrere Exemplare erhalten, in Bludenz die 1670.104.
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Abb 20: 1045.03 mit kurzem Personenzug (1932)
Auch für den leichteren Dienst dominierte inzwischen der Einzelachsantrieb, wegen der geringeren Geschwindigkeit ohne Laufachsen. Für den Güterzugdienst v.a. im Karwendel wurde 1927 die Reihe 1170 entwickelt, (Achsfolge Bo’Bo, Stundenleistung 1140 kWh, Höchstgeschwindigkeit 60 km/h).
Diese Loks waren unverwüstlich, ebenso die verstärkten, daraus weiterentwickelten Loks der Reihen 1170.1 und 1170.2 ((später ÖBB 1045, 1145 und 1245). Als Vorspannlok am Arlberg, für Personen – und leichte Güterzüge blieben diese kleinen Loks lange unverzichtbar. Die 1245 verblieb bis in die 60er – Jahre, die 1145 bis 1993 als Verschub- und Arbeitszuglok in Vorarlberg.
Nächste Woche: Ein Seitenblick auf die Kleinbahnen