Fahrdraht - dazu habe ich auch ein interessante Geschichte.
Ich war u.a. in den hiesigen Stadtwerken als Bus- und Straßenbahnfahrer tätig und die letzten Jahre im Service. Eines Sonntags wurde der Fahrdraht durch unsere Funkenschlosser in der Berliner Straße (Potsdam) gewechselt. Die Straße und die Straßenbahnlinie endeten direkt an der Glienicker Brücke, besser bekannt als Brücke der Einheit (Osten/Westen, kalter Krieg, Agentenaustauschbrücke, Spielfilm mit Tom Hanks (letztens)). Sehr gerne hätten es die Berliner, dass die Bahn weiter fährt bis zum Bhf. Wannsee. Geht nicht wegen Traglast der Brücke und Umbau; fällt wegen Denkmalschutz aus, ansonsten wäre das ideal!
Na jedenfalls musste ich mit unserer "Spezialbahn" vom Depot zur Baustelle Berliner Straße, um dort mit einem Oberleitungsmonteur - die Spurlage des neu installierten Fahrdrahtes überprüfen zu können. Das fand im Winter statt. Es war kalt und auch wenig (Touristen)verkehr, denn die Straße wurde nicht extra gesperrt. Die beiden Gleise verlaufen in der Straßenmitte. Jeweils daneben sind die eigentlichen Richtungsfahrbahnen für den Individualverkehr. Die spezielle Bahn war eine Traktion der modernisierten Tatra KT4D, die als Fahrschulbahn ausgerüstet ist (doppelter Fahrstand) und Glaskuppel (oben), um eben damit die Fahrspannungsdrahtspurlage optisch während der Fahrt beurteilen zu können.
Ich schmiss die Fahrgastraumheizung (30kW) der Bahn an und machte mich auf den Weg. Dort angekommen stieg ein Monteur zu, platzierte sich unter der Glaskuppel, um den ständig wechselnden Versatz des Fahrdrahtes gut sehen zu können und ich fuhr die Strecke in beiden Richtungen ab. Als wir wieder retour kamen, hielt ich neben dem ganzen Pulk von Oberleitungswerkstattwagen und schaltete die Bahn ab. Der Elektriker und ich stiegen aus und wir gingen über die Fahrbahn an den Rand (Fußgängerweg) und der Elektriker meldete die erfolgreiche Abnahme.
Auf einmal gab es einen Knall. Es funkte und blitzte - die neue Fahrleitung riss und schnappte wie eine Feder ca. 50m in beide Richtungen zusammen. Dabei schrappte sie über die Straße und weil der Fahrstrom floß, funkte und blitze es. Das sah mächtig gefährlich aus. Alle dünneren Halteseile rissen bzw. räufelten sich ebenfalls zu einem Durcheinander zusammen. Nach einigen Sekunden, schaltete erst der Überlastungsschutz automatisch die Fahrspannung weg. Wir stoben auseinander in alle Richtungen. Dabei stürzten einige, aber mehr vor Schreck (zum Glück).
Das Gute war, dass in dem Moment kein Mensch und kein Fahrzeug in der Nähe war, das heißt es wurde niemand verletzt. Später sagten die Elektriker, dass das auch ganz anders hätte ausgehen können. Die Fahrleitung alleine schon hat genügend mechanische Vorspannung. Die kann einen Menschen zerreißen. Geschweige denn die Fahrspannung von 800V - okay, das ist zwar wesentlich weniger als bei der großen Bahn, aber bei bis zu 1500A macht das schon mächtig Späne.
Das war es dann mit pünktlich Feierabend, die Bahn fuhr ja nicht mehr, kalt war es auch. Die Heizung in der Bahn ging ja nun auch nicht mehr, icke ohne Wattejacke, das war haarig - für Stunden. Denn die Oberleitungsmonteure mussten ja die Sache sofort beheben; inklusive Polizei und jetzt musste die Straße gesperrt werden. Aber ich habe gestaunt. Mit Flaschenzügen und Technik war das in 2 - 3 Stunden erledigt und ich konnte ins Depot fahren -endlich.
Und warum riss der Fahrdraht? Ja, schuld war ich nicht aber der ungewollte Auslöser. Ich hatte die Bahn abgestellt, also stand sie und der Stromabnehmer, berührte mit nur wenigen Quadratmillimetern immer dieselbe Stelle des Fahrdrahtes. Die Fahrgastraumheizung war nicht abgeschaltet, weil das kein Fahrer im Winter macht. Warum auch? Es war doch hundekalt. Ca. 30kW Heizungsstrom ist nicht so viel.
Allerdings und das hätten die Elektriker wissen und mir sagen müssen, der Fahrdraht war niegelnagelneu! Und neuer Fahrdraht ist noch nicht eingefahren, eingeschliffen und abgenutzt. Der neue Kupferfahrdraht war leicht oxydiert, demzufolge wie bei einem verdreckten Poti gibt es einen Übergangswiderstand. Und bei 30kW wird die Stelle sofort heiß und weich und dann wirkt die mechanische Vorspannung (ca. 500kg) und innerhalb weniger Sekunden war es das! Während der Fahrt kommt ja immer neuer "kalter" Fahrdraht an den Stromabnehmer, daher passiert dabei sowas nicht! Aber neuer Fahrdraht muss eingefahren werden, damit speziell an den Haltepunkten, nicht solch ein Fall eintreten kann.
Ähnlich funktionieren, die sogenannten "Eisfahrten", wenn die Wetterlage extrem ist (kommt selten vor). Nachts fährt keine Bahn, also kann die Oberleitung vereisen. Dann die erste computergestützte Bahn und der Bordcomputer schaltet ab, wegen Fehler = nichts geht mehr, alles steht. "Er" lässt sich auch nicht überlisten. Dann hieß es (vorher): Service - Eisfahrt, die ganze Nacht, durch Potsdam geritten mit einer zwar modernisierten Tatra-Bahn aber nix Bordcomputer. Die schaltete nicht ab, das funkte und blitze und sah nachts richtig gut aus. Durch den gezogenen Fahrstrom erwärmte sich die gesamte Oberleitung leicht und das Eis schmolz.
So, nun habe ich auch mal etwas aus dem Leben geplaudert. Ich hoffe es war nicht ermüdend.