Wer kennt sie nicht, die Kreis Hennstedter Eisenbahn? Keiner? OK, das liegt dann vielleicht an zwei Dingen, erstens der total abgelegen Lage des Kreises Hennstedt im tiefsten nirgendwo von Niedersachsen und zweitens daran, dass sie völlig frei erfunden ist. Als im heutigen Niedersachsen das Eisenbahnnetz fast vollständig gebaut war, litt der Kreis Hennstedt sehr an seiner abgelegenen Lage, und daran, dass die Bahn den Kreis nur am äußersten Zipfel, in Klausdorf, durchfuhr. Zwar bekam Klausdorf, auch durch beständige Eingaben des Landrats, bald eine Bahnstation, zu einem Anschluss der Kreisstadt Hennstedt und einer weiteren Erschließung des Kreisgebiets ließ sich die preußische Staatsbahn dann aber doch nicht erweichen. Erst mit der Verabschiedung des Preußischen Kleinbahn Gesetzes kam 1892 Bewegung in die Sache. Eine Kleinbahn sollte den wirtschaftlichen Aufschwung auch in den Kreis Hennstedt tragen, aus Kostengründen schmalspurig, in 750mm Spurweite. Schon vier Jahre später, am 1. August 1896 wurde der erste Streckenabschnitt Klausdorf - Hennstedt feierlich eröffnet. Bau und Betrieb wurde von Lenz & Co. durchgeführt, dementsprechend bestand die Anfangsausstattung aus zweiachsigen Güter- und Personenwaggons aus Görlitz, sowie drei B-Kupplern von Vulcan in Stettin, die die Nummern 1m - 3m trugen. Der weitere Ausbau wurde verzögert durch einige Unstimmigkeiten zwischen Lenz & Co. auf der einen Seite und dem Kreis auf der anderen Seite, die zu einem Zerwürfnis führten und in der Übernahme der Betriebsführung durch den Kreis endeten. Erst 1903 konnte die bereits geplante Verlängerung bis Bärenfelde eröffnet werden, bis auch der drittgrößte Ort des Kreises, Hohenborstel, durch eine Zweigstrecke angeschlossen wurde, dauerte es bis 1910. Die Lenz-B-Kuppler erwiesen sich für viele Leistungen als zu schwach, so dass zur Verlängerung nach Bärenfelde drei neue C-Kuppler mit den Betriebsnummern 4 - 6 (ohne Buchtaben) beschafft wurden. Lok 1m wurde verkauft, die anderen beiden verloren ihr „m“, und hießen fortan nur noch 2 und 3. Mit der Zweigstrecke nach Hohenborstel kamen abermals neue Loks zur Bahn, diesmal die Henschel-C-Kuppler 7 und 8. Diese neuen Loks bewährten sich so gut, dass auch Lok 2 verkauft werden konnte und Lok 3 nur noch als letzte Reserve aufbewahrt wurde. Bei beiden Verlängerungen wurden natürlich auch neuäe und größere Personen- und Güterwagen beschafft. Der erste Weltkrieg brachte den ersten größen Einschnitt, da zwei C-Kuppler ans Heer abgegeben werden mussten, die nicht wieder zurückkehrten. Während die Kreisbahn gerne die ältesten und schwächsten Maschinen loswerden wollte, hatte sich das Militär auf die beiden neuesten und stärksten Loks 7 und 8 kapriziert. Nach langen Verhandlungen konnte die Bahn wenigstens ihre Lok 8 behalten, musste aber dafür Lok 5 abgeben, da das Heer sich beständig weigerte, Lok 3 stattdessen zu nehmen. Letztere kam stattdessen zurück in den Regeldienst, und musste zusammen mit den verbliebenen C-Kupplern 4, 6 und 8 den Verkehr mehr schlecht als recht stemmen.
Nach dem ersten Weltkrieg kam der Verkehr erst nicht mehr recht auf die Beine, aber nach 1923 normalisierten sich die Verhältnisse wieder, und nach einer umfassenden Instandstzung von Strecken und Material war auch Geld für neue Fahrzeugbeschaffungen vorhanden. So konnte gebraucht die Lok 17 (die Nummer wurde von der Vorgängerbahn übernommen) beschafft werden, eine 1‘C-Lok von Humboldt. Ende der Zwanzigerjahre konnte dann auch eine Neubaulok beschafft werden, ein Heißdampf-C-Kuppler von Henschel, der eigentlich die Nummer 9 erhalten sollte, aber von Henschel mit der Nummer 24 (wie ihre Schwesterlok für die Jagsttalbahn) ausgeliefert wurde, was dann beibehalten wurde, weil man keine neuen Schilder herstellen wollte. Eine zaghafte Modernisierung des Personenverkehrs wurde 1934 mit der Beschaffung des T1 unternommen, einem Wismarer Schienenbus („Schweineschnäuzchen“ oder „Ameisenbär“). Ende der Dreißigerjahre stiegen die Verkehrsleistungen massiv an, als im Hennstedter Wald eine Munitionsfabrik gebaut, und dorthin ein Anschlussgleis verlegt wurde. Eine weitere Gebrauchtlok kam zur Bahn, ein Hohenzollern-C-Kuppler, der die Nummer 25 erhielt. Lok 3 konnte endlich ausgemustert werden.
Der nächste große Einschnitt kam im November 1944, als bei einem nächtlichen Bombenangriff auf den Bahnhof Klausdorf nicht nur Lokschuppen einen Bombentreffer erhielt, sondern auf der Rollbockanlage auch einige, mit Munition beladene Güderwgen getroffen wurden und explodierten. Neben den Bahnanlagen und Fahrzeugen der Reichsbahn erlitt auch die Kreisbahn erhebliche Verluste. Lok 5 wurde total zerstört, die Lokomotiven 6 und 8 schwer beschädigt. Da der Verkehr von und zur Munitionsfabrik kriegswichtig war, erhielt die Kreisbahn Unterstützung durch das Rüstungsministerium, das als erstes eine Heersfeldbahnlok dorthin beorderte, die nach dem Krieg übernommen und unter der Nummer 26 in den Fahrzeugpark eingereiht wurde. Kurz vor Kriegsende konnte noch eine österreichische U gekauft werden, die durch Abdrehen der Spurkränze provisorisch von 760mm auf 750mm umgespurt wurde. Sie bekam die Betriebsnummer - nein, nicht 27 sondern, an die ursprüngliche Nummernreihe anschließend, die Nummer 9. Außerdem wurde die Lok 15 der Ost- und Westprignitzer Kreisbahnen übernommen werden (in der Fachliteratur wird fälschlicherweise eine Abgabe als Reparation an die Sowjetunion angegeben, tatsächlich kam die Lok nach Hennstedt .
Wie es später weiterging, erzähle ich in einem späteren Beitrag, für alle, die sich bis hierhin durch den Text gequält haben, gibt es zur Belohnung noch ein paar Fotos von den Loks 15 und 17:
Fortsetzung folgt.
Volker