(Hinweis: Alle Bilder von Frits Osterthun, http://www.osterthun.com, © 21.12.2012. Mit freundlicher Genehmigung zur Einbindung in diesem Forum. Danke, Frits!
Hallo und Guten Morgen,
unlängst konnte ich einem nervösen Zucken nicht widerstehen. Eine ladenneue BR 044 mit der Artikelnummer 37880 wurde offeriert und ich spürte deutlich, dass es nun endlich Zeit ist, die bescheidene Sammlung mit einem "Jumbo" Göppinger Machart zu vervollständigen.
Da es sich bei diesem Modell um ein inzwischen halbwegs betagtes Exemplar handelt, hier vielleicht zunächst ein Link zur werkseigenen Homepage: http://www.maerklin.de/de/produkte/detai...ml?art_nr=37880
Die 377880 ist lediglich eine Nummernvariante der inzwischen zahlreichen 44er-Modelle. De facto aber wurde die Lok in den letzten Jahren nur marginal verändert, weshalb auch mein Modell noch immer den Stand der Dinge für diesen Loktyp abbildet - jedenfalls was die Fa. Märklin betrifft.
Wenn einem so viel Gutes widerfährt ...
Warum nun also diese Zeilen? Zunächst ist es ganz einfach, denn die 37880 wurde bislang nie so richtig in diesem Forum behandelt. Bemüht man die Suchfunktion, findet man einige wenige Aussagen zum Modell und teilweise sogar negative Berichte, da die Lok offensichtlich Kontaktprobleme hat. (Es sei bereits an dieser Stelle vorweggenommen, dass ich dergleichen nicht bestätigen kann. Das Gegenteil ist der Fall - jedenfalls bei meinem Exemplar.)
In letzter Zeit wurde ich hinsichtlich verschiedener Entwicklungen einigermaßen nachdenklich. Ich spürte selbst einen stetig wachsenden Frust im Kontext verschiedener Neuerscheinungen, wobei ich trotzdem der Fa. Märklin die Treue halte. Nein, ein Wechsel kommt für mich nicht in Frage, denn diesen Prozess habe ich bereits durchlaufen - das reicht an Erfahrung.
Doch hier geht es nicht um Modellbahnsoziologie, sondern um den neuen alten "Jumbo". Kaufte ich bislang ein neues Lokmodell, so waren, angekommen im Jahr 2012, zwei Dinge stets von besonderer Relevanz für mich:
1. Der verbaute Antrieb und hier besonders ein möglichst leiser Lauf.
2. Der verbaute Digitaldecoder, und hier besonders ein qualitativ hochwertiges Soundprojekt.
Keinen der beiden Punkte werden durch die 37880 hinreichend erfüllt - und doch habe ich die Lok vom ersten Testlauf an in mein Herz geschlossen. Das spärliche Licht funzelt aus den irgendwie fehl dimensionierten Laternen und ist zudem am Tender deutlich heller, als vorne an der Lok. Der Antrieb hat exakt jenen speziellen Märklin-Sound, denn wir alle nur zu gut kennen, zumeist aber aus unseren Herzen verbannt haben. Man sieht stellenweise die Zahnräder der Antriebseinheit und der Decoder bietet weder Sound noch anderweitigen Schnickschnack. Einstellbar sind lediglich triviale Dinge wie etwa die Höchstgeschwindigkeit oder die Anfahr- und Bremsverzögerung.
Mich brachte diese Lok zum Nachdenken. Ich habe für das ladenneue Modell gerade einmal 118,00 Euro bezahlt, was sicherlich ein extrem guter Preis ist. Wenn ich mir nun aber aktuelle Modelle ansehe, dann ist die 37880 nicht wirklich viel schlechter. Ich öffnete die Lok und passte die Anfahr- und Bremsverzögerung nach meinem Gusto etwas an. Die Lok läuft fortan traumhaft, jedenfalls nach meinem Verständnis. Keine Kontaktprobleme oder gar ein Ruckeln durch unzureichend angepasste Decoder. Ein Modell also, welches vielleicht in den späten Neunzigern im Laden gekauft wurde und mit spannender Vorfreude in Betrieb genommen werden konnte. Befürchtungen, dass das Modell bereits nach wenigen Testrunden zurück ins AW Göppingen gehen muss, waren (wo ist eigentlich die Zeit geblieben?) "damals" offensichtlich noch nicht Bestandteil der Märklinisten Lebenswelt. So packte also auch ich viele Jahre später diese schöne Lok aufs Gleis und sie zog sie mich unmittelbar in ihren Bann.
Ich kaufte dieses Modell ganz bewusst. Mir war klar, dass jeder Anspruch an ein aktuelles Modell hier nicht der Maßstab sein kann. Inzwischen denke ich, dass meine Ansprüche aber sehr wohl erfüllt werden - obgleich auf anderer Art.
Mehr als nur Erinnerung
Nach der bereits o.g. Feinanpassung bin ich also wirklich von der Lok begeistert. Es klingt vielleicht blöde, aber plötzlich stört mich der fehlende Sound nicht mehr wirklich. Im Gegenteil: So recht begeistert war ich vom Sound des Standard-Dreizylinders innerhalb der H0-Welt noch nie. Also kein Sound? Kein Problem! Zwar habe ich die Dampflokzeit nicht mehr live erlebt, doch sind genügend eigene und filmische Impressionen hinreichend in der Lage, mein Kopfkino am Laufen zu halten ... Doch Halt! Sound haben wir doch, wenn wir es ganz genau nehmen: Das knarzige Laufgeräusch erinnert mich an die Anfänge meiner Modellbahnzeit und versprüht somit ihren eigenen Charme. Wenn man keinen geräuschlosen Motor erwartet, ist der gute alte HLA eigentlich gar nicht mehr so schlecht. Klingt komisch, ist aber so, wie ich finde. Die Laufkultur der Lok ist nämlich exzellent! Bereits bei niedrigster Fahrstufe setzt sich der mächtige Jumbo langsam und ohne Ruckeln in Bewegung. Richtig behäbig kommt so der Eindruck der schweren Lok prima herüber. Bei schnellerem Lauf verändert sich fortan die Geräuschkulisse. Aus dem Knarzen wird nunmehr ein Sirren und Summen, aber wem erzähle ich das ...
Die Detaillierung lässt Grund zu meckern - oder eben auch nicht. Es ist wie immer eine Frage der Perspektive. Noch immer ist diese Konstruktion state of the art, denn bislang hat Märklin keine Neuentwicklung der 44er-Familie herausgebracht. Für mich ist die Lok aber absolut in Ordnung. Freilich würde Ihr ein brüniertes Gestänge besser stehen, wie man es z.B. bei Loks aus den verschiedenen Zugpackungen realisiert hatte. Die hohen Spurkränze sind typisch für Loks aus dieser Ära und trotz der recht zahlreichen freistehenden Leitungen würden Nörgler und Nietenzähler genug Grund für ihr "Handwerk" vorfinden. Auch scheinen die Laternen nicht wirklich richtig dimensioniert zu sein. Irgendwie verfälschen sie das "Gesicht" des Jumbos und Firmen wie z.B. Roco haben das natürlich viel besser umgesetzt, keine Frage.
Apropos Laternen: Das flackerige Licht ist weder warmweiß noch mittels LED umgesetzt. Es sind profane Birnchen, die aber in ihrer funzeligen Eigenschaft recht gut passen. Auch muss sich der stolze Besitzer nicht über mangelnde Zugkräfte sorgen. Faktisch kann ich hier zwar keine Zahlen und Daten bringen, aber ich bin mir relativ sicher, dass der Märklinsche Jumbo seinem Namen auch im Modell alle Ehre machen würde. Der Abstand zwischen Lok und Tender ist bereits in bekannter Manier verstellbar, ein Feature, welches bis heute nicht durchgängig zum Standard gehört, wie wir aktuell wieder sehen konnten. So ergibt sich ein durchaus stimmiges Gesamtbild und das in sowohl technischer als auch optischer Hinsicht.
Eine echte Märklin
Angesichts der ungewöhnlichen Neuanschaffung begann ich jetzt zu recherchieren. Die Preise für Loks der späten Neunziger bis hin zur Wende ins neue Jahrtausend sind mehr als human. Sogar in der inzwischen überteuerten Bucht bekommt man viele Modelle für ein gutes Geld und ich bin überzeugt, dass man auf den zahlreichen Modellbahnbörsen noch bessere Preise erzielen kann. Da die Modelle noch nicht so richtig alt sind, kann man mutmaßlich in vielen Fällen von einem sehr guten Zustand der Ware ausgehen.
Gerade aus des Märklinisten Sicht sind diese Modelle aber noch in einem anderen Punkt interessant. Viele aktuelle Modelle basieren noch immer auf "alten" Formen, was bei der hier vorgestellten BR 044 so ist, sich aber beispielsweise auch bei der V200.1 alias BR 221 aufzeigen lässt. Ich bin nun wirklich kein Märklin-Historiker und kenne mitnichten alle Nummern-/Formenvarianten. Ich war deshalb einigermaßen erstaunt, dass die aktuelle (und noch immer relativ hochpreisige) BR 221 auf den Formen der achtziger bzw. neunziger Jahre beruht. Hierzu eröffnete ich vor kurzem einen eigenen Thread: viewtopic.php?f=2&t=85304
Diese Tatsache bietet nun für verschiedene Kategorien des Modellbahnwesens diverse Möglichkeiten. Da wäre zuerst der "Romantiker", der vielleicht sogar in den Achtzigern und Neunzigern groß und erwachsen wurde und sich so ein Stück Kindheit bewahrt. Er kauft die Loks günstig und fährt/sammelt/bespielt sie unverändert. Hier ist lediglich die Frage nach der Betriebsart zu stellen, wobei die analogen Varianten sogar noch günstiger zu bekommen sind.
Die nächste Kategorie ist vielleicht der "moderne Spielbahner". Er mag den realistisch anmutenden Modellbahnbetrieb und ist ein Verfechter der modernen Digitaltechnik. In den günstigen Modellen findet er eine preiswerte und optisch ausreichende Möglichkeit zur Umsetzung seiner Modellbahnfreuden. Angesichts der zu erwartenden Preise bietet die Lok, wenn wir mal meine 37880 als Beispiel nehmen, genug Potential für die Ausrüstung mit einem moderneren Decoder. Selbst ein Sounddecoder kann hier ohne Probleme realisiert werden.
Die letzte Kategorie wäre dann noch der "ambitionierte Modellbahner", der das Modell neben einem Decoder vielleicht auch noch mit einem Faulhaber und optisch gar mit diversen Feinheiten von Weinert versieht. Insofern die Geldbörse hier den tiefen Eingriff zulässt, sind diesem Feintunig auf höchstem Niveau keinerlei Grenzen gesetzt.
Alle drei Modellbahnfreunde können selbiges sicherlich auch mit modernen und aktuellen Lokmodellen machen. Ein Kritikpunkt von meiner Seite war aber immer der hohe Preis aktueller Modelle, der das erhaltenen Produkt nicht immer rechtfertigte. Trotz aller Ramschaktionen und zweiten, gar dritten Preisen bleibt oftmals ein trübes Verhältnis zu Loks, die mit verschiedenen Problemen und Mängeln bereits nach kürzester Zeit wieder eingeschickt werden müssen. Mit den etwas älteren Modellen des späten letzten Jahrtausends erhält man noch eine "echte Märklin" - und das zu durchaus guten Preisen.
Kein Frust, sondern Lust! Ein Ausblick
An anderer Stelle wurde ich in diesem Forum wegen meiner oftmals kritischen Haltung virtuell unter Beschuss genommen. Man fragte durchaus berechtigt danach, ob ich denn überhaupt noch Lust auf Modelleisenbahn und auf Märklin verspüre. Eine komplexe Frage, die ich hier nicht erörtern kann und mag. Fakt ist aber, dass der neue Jumbo alias 37880 mir einen neuen Weg der Modellbahnerei aufgezeigt hat. Es muss offensichtlich nicht immer das allerneueste Modell sein, welches dann ob des großen Marktdrucks und der Schnelllebigkeit der Branche vielleicht nicht bis ins letzte Detail durchdacht und umgesetzt wurde. Sicherlich: nicht jede unlängst vorgestellte Neukonstruktion verdient all die ausgeschüttete Häme und auch ich war mit Sicherheit an der einen oder anderen Stelle etwas zu hart in der dargebotenen Tonalität. Unter dem Strich wächst aber mit den technischen Möglichkeiten auch der Anspruch des Kunden. Bei mir war das jedenfalls so. Unbewusst verglich ich so beispielsweise die technischen Möglichkeiten einer BR 218 von ESU mit der Umsetzung der Göppinger Lok. Eigentlich ein Wahnsinn, keine Frage, den man sich aber erst einmal bewusst machen muss ... So war ich dann oftmals eben mehr enttäuscht und verspürte nicht selten kaum noch Lust auf die neue Märklin-Welt.
Märklin ist in vielerlei Hinsicht auf einem guten Weg, leider aber nicht überall. Mit der 37880 eröffnet sich mir nun ein anderer Weg. Weg von all der kritischen Haltung gegenüber neuesten Lokmodellen und eine Bewahrung der Freude am Spiel. Diese Lok ist dafür in idealer Weise geeignet. Sie bietet genügend "Romantik" für den überzeugten Märklinfreund, hat dafür aber sowohl technisch als auch optisch ausreichend Reserven für individuelle Anpassungen. Und selbst Modellbahner, die Spaß an einem dem Vorbild angelehnten Betrieb haben, werden mit Modellen wie eben der 37880 noch glücklich, wie ich finde.
Ich werden den Jumbo zunächst unverändert in Betrieb nehmen. Vielleicht wird er dereinst mal mit einem neueren Decoder versehen, aber bislang sehe ich dazu noch nicht die Notwendigkeit. Plötzlich erfreue ich mich wieder an dem ach so unsäglichen HLA, der doch eigentlich (technisch) so viel besser ist, als all das China-Gedöns aktueller Produktionen. Vor kurzer Zeit las ich in einem Thread, dass es doch eigentlich schade ist, dass so manche aktuelle Modellproduktion wohl nicht die Lebenserwartung älterer Modelle erreichen wird. Mein Jumbo (und seine Kollegen aus den Neunzigern) gehört sicherlich nicht zu dieser Kategorie ...
In diesem Sinne wünsche ich allen Märklinfreunden, den Stummianern dieses tollen Forums und natürlich den Fans der kräftigen Jumbos ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest. Passt auf Euch und Eure Lieben auf!