RE: Zugkraftangaben (aus 78.10 Artikelserie)

#1 von SAH , 14.11.2019 13:34

Guten Tag zusammen,

Bezugnehmend auf zwei Beiträge in o.g. Artikelserie mit folgendem Zitat:

Zitat von hu.ms im Beitrag Märklin BR 78.10, 2. Insider-Modell 2019 #39781

Zitat von Klaus5 im Beitrag Märklin BR 78.10, 2. Insider-Modell 2019 #39781

...Was soll ich sagen:
Endlich wieder eine Dampflok von Märklin mit super Zugkraft...
Gruß Klaus

Bei welchen mä-dampfloks vermisst du zugkraft und welche steigungen sowie radien darin hat deine anlage ?



stellt sich zuerst die Frage, was unter einer ausreichenden "Zugkraft" zu verstehen ist.
Durch Recherche stellt sich hier heraus, dass damit 6 Donnerbüchsen (Bi oder Ci 20t)
gemeint sind. Der Nutzer Klaus ist damit zufrieden und das ist gut so.
Ein anderer Nutzer ( hier ist es Hubert ) kann mit obigen Angaben nichts Anfangen und fragt nach weiteren Angaben.
An diesem Punkt scheiden sich die Geister, denn oftmals ( hier nicht ) liest man dann bei ähnlich gelagerten Beiträgen und Fragestellungen nur trotzige Antworten ala " interessiert mich nicht ". Kann man machen, doch bei einer Analyse kommt man unweigerlich zum Schluss, dass in diesem Fall die Angabe zur Zugmasse ("Zugkraft") sinnbefreit ist: der Urheber einer solchen Angabe möchte ja Anderen ein Ergebnis mitteilen. Aufgrund der Vielzahl verschiedener Anlagen, Modelle und Wartungszustände ist eine quantitative Angabe nicht nur sinnvoller, sondern verpflichtend. Doch viele schrecken davor unverständlicherweise zurück. Daher möchte ich hier eine Kurzanleitung zur Abschätzung geben:
Am Anfang steht der Wagentyp (hier z.B. Donnerbüchse). Aus dem Zusammenhang kann man schließen, es geht um modernes Wagenmaterial. Abgeschätzt 80g/Wagen. Wers genau wissen will, muss seine Modelle auf die Waage stellen, sie sollte mindestens auf 1g genau sein. 6x80g = 480g.
Jedes Modell hat einen Fahrwiderstand, bei modernem Material ohne Radschleifer ca. 1,5%. Auch hier: wers genau wissen will, muss nachmessen.
Dann ist die Frage nach Steigungen ( hier keine).
Und schließlich die Frage nach Kurven. Für R2 plus 1,2%, R3 plus 0,9% usw.
Sind die Wagen mit Schleifer für Beleuchtung (hier keine), kommen pro Wagen ca. 2-3g dazu.
Nun rechnet man zusammen:
1,5% + 1,2% = 2,7% von 480g = ca. 13g. Sicherheitszuschlag, damit die Lokräder nicht durchdrehen: 100%
Damit sind es zusammen 26g im oben beschriebenen Fall.
Jeder, der andere Wagen nutzt, kann in analoger Weise vorgehen.

Mit freundlichen Grüßen,
Stephan-Alexander Heyn


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RE: Zugkraftangaben (aus 78.10 Artikelserie)

#2 von SAH , 27.12.2019 22:43

Guten Abend WiTo,

Zitat

Vielleicht kannst du anhand des Videos selbst die für deine Berechnungen notwendigen Daten ableiten?




ich versuche es mal. Zuerst: es sind 58 Achsen (27 zweiachsige und 1 vierachsiger Güterwagen). Die von Dir genannten Güterwagen verschiedener Hersteller sind als modernes Material sich sehr ähnlich, daher gehe ich generell von Sitzachsen aus (Kunststofflagerung) und einem mittleren Rollwiderstand von 2% (es sei denn, Du hast die Achslager leicht geölt). Beim Anschauen der Wagen im Video gehe ich von durchschnittlich 70g (aufgerundet) pro Wagen aus.
Damit komme ich zu einem Rollwiderstand von 28*70*2/100 = 39g

Die Steigung schätze ich wie folgt ab: 7cm auf die Länge von Lok plus 18 Wagen. Lok ca. 28cm, die ersten 18 Wagen ca. 13cm/pro Wagen im Schnitt (Kupplungen mit eingerechnet) = 262cm (also R2?). Das macht ziemlich genau 3% Steigung. Der Steigungswiderstand berechnet sich nun zu 3% von (28*70 + Lok), also (28*70 + 550g) = 2510g. 3% davon sind 75g.


Nun kommt der Kurvenwiderstand: im R2 sind die meisten Wagen in Deinem Zug mit vernachlässigbarem Kurvenwiderstand, nur die mit langem Achsstand könnten 1% erreichen. Geschätzt 0,5% im Schnitt, also 13g.

Zusammen nun die Zugmasse = 39g + 75g + 13g = 117g.
Das ist meiner Meinung nach eine mittlere Last.

mit freundlichen Grüßen,
Stephan-Alexander Heyn


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RE: Zugkraftangaben (aus 78.10 Artikelserie)

#3 von WiTo , 28.12.2019 20:41

Zitat

Guten Abend WiTo,

ich versuche es mal. Zuerst: es sind 58 Achsen (27 zweiachsige und 1 vierachsiger Güterwagen). Die von Dir genannten Güterwagen verschiedener Hersteller sind als modernes Material sich sehr ähnlich, daher gehe ich generell von Sitzachsen aus (Kunststofflagerung) und einem mittleren Rollwiderstand von 2% (es sei denn, Du hast die Achslager leicht geölt). Beim Anschauen der Wagen im Video gehe ich von durchschnittlich 70g (aufgerundet) pro Wagen aus.
Damit komme ich zu einem Rollwiderstand von 28*70*2/100 = 39g

Die Steigung schätze ich wie folgt ab: 7cm auf die Länge von Lok plus 18 Wagen. Lok ca. 28cm, die ersten 18 Wagen ca. 13cm/pro Wagen im Schnitt (Kupplungen mit eingerechnet) = 262cm (also R2?). Das macht ziemlich genau 3% Steigung. Der Steigungswiderstand berechnet sich nun zu 3% von (28*70 + Lok), also (28*70 + 550g) = 2510g. 3% davon sind 75g.


Nun kommt der Kurvenwiderstand: im R2 sind die meisten Wagen in Deinem Zug mit vernachlässigbarem Kurvenwiderstand, nur die mit langem Achsstand könnten 1% erreichen. Geschätzt 0,5% im Schnitt, also 13g.

Zusammen nun die Zugmasse = 39g + 75g + 13g = 117g.
Das ist meiner Meinung nach eine mittlere Last.

mit freundlichen Grüßen,
Stephan-Alexander Heyn



Hallo Stefan-Alexander,

erst einmal meine Bewunderung, mit wie vielen Erfahrungswerten rund um das Thema Zugkraft Du so ausgestattet bist und wie Du selbst ohne detaillierte Angaben in der Lage bist näherungsweise brauchbare Erkenntnisse zu generieren.

Und weil ich Deine Fähigkeiten wirklich sehr schätze, möchte ich Dir mit ein paar weiteren Daten zu der "Aufgabenstellung" behilflich sein, damit Du Deine Erfahrungsschatz noch etwas erweitern kannst.

Du hast die Steigung in meiner Wendel recht gut mit 7cm abgeschätzt. Allerdings ist das lediglich die lichte Höhe einer Ebene. Es kommen dann noch etwa 11 mm Brettchenstärke hinzu, so dass wir real bei rund 8,1 cm Steigung sind. Und dann befährt der Zug tatsächlich einen R1 Radius (360 mm) bergauf (was ich heute niemals mehr so bauen würde, aber ich hatte bis dato noch keine Erfahrung mit Wendeln und habe diese meine erste Wendel einfach "falsch" herum aufgebaut). Damit sind wir bei einem Umfang von rund 226 cm für eine Höhendifferenz von 8,1 cm, was dann doch schon rund 3,6 % bedeuten (endlich habe ich das mal ausgerechnet, ich habe bisher immer nur geschätzt, dass es wohl gut 3,5% sind).

Für Deine Rechnung von oben würde das bedeuten, dass der neigunsgabhängige Widerstand um etwa 15g erhöht (3,6% von 2.510 g = 90 g versus der vorherigen 75 g). Nun ist die Frage, ob der Kurvenwiderstand bei R1 noch signifikant höher liegt, als bei Deinem angenommenen R2?

Am Ende werden wir wohl bei rund 135 bis 140g liegen. Die Einschätzung, ob das viel oder wenig ist, kann ich mangels Erfahrungswerte dann nicht vornehmen. In jedem Fall fühlt sich so ein Zug in der Wendel jedesmal deutlich schwerer, als 1,5 Tafeln Schokolade an, wenn man ihn mal mit der Hand ein Stückchen ziehen muss. Ich bin jedenfalls immer wieder überrascht, wie viel Zugmasse so eine kleine Lok dann doch oft sogar recht mühelos wegzieht.

In diesem Sinne noch weiter viel Spaß bei der spannenden Zugkraftberechnung.

Herzliche Grüße

Thomas (WiTo)


Meine Anlage:
https://www.stummiforum.de/viewtopic.php?f=64&t=121964

Computer hat man, um Probleme zu lösen, die man ohne Computer nicht hätte (für Modellbahnanlagen gilt sinngemäß das Gleiche).


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RE: Zugkraftangaben (aus 78.10 Artikelserie)

#4 von SAH , 01.01.2020 22:15

Guten Abend Thomas,

vielen Dank für Deine weiterführenden Angaben!

Zitat

erst einmal meine Bewunderung, mit wie vielen Erfahrungswerten rund um das Thema Zugkraft Du so ausgestattet bist und wie Du selbst ohne detaillierte Angaben in der Lage bist näherungsweise brauchbare Erkenntnisse zu generieren.
Und weil ich Deine Fähigkeiten wirklich sehr schätze, möchte ich Dir mit ein paar weiteren Daten zu der "Aufgabenstellung" behilflich sein, damit Du Deine Erfahrungsschatz noch etwas erweitern kannst.

Du hast die Steigung in meiner Wendel recht gut mit 7cm abgeschätzt. Allerdings ist das lediglich die lichte Höhe einer Ebene. Es kommen dann noch etwa 11 mm Brettchenstärke hinzu, so dass wir real bei rund 8,1 cm Steigung sind. Und dann befährt der Zug tatsächlich einen R1 Radius (360 mm) bergauf (was ich heute niemals mehr so bauen würde, aber ich hatte bis dato noch keine Erfahrung mit Wendeln und habe diese meine erste Wendel einfach "falsch" herum aufgebaut). Damit sind wir bei einem Umfang von rund 226 cm für eine Höhendifferenz von 8,1 cm, was dann doch schon rund 3,6 % bedeuten (endlich habe ich das mal ausgerechnet, ich habe bisher immer nur geschätzt, dass es wohl gut 3,5% sind).

Für Deine Rechnung von oben würde das bedeuten, dass der neigunsgabhängige Widerstand um etwa 15g erhöht (3,6% von 2.510 g = 90 g versus der vorherigen 75 g). Nun ist die Frage, ob der Kurvenwiderstand bei R1 noch signifikant höher liegt, als bei Deinem angenommenen R2?

Am Ende werden wir wohl bei rund 135 bis 140g liegen. Die Einschätzung, ob das viel oder wenig ist, kann ich mangels Erfahrungswerte dann nicht vornehmen. In jedem Fall fühlt sich so ein Zug in der Wendel jedesmal deutlich schwerer, als 1,5 Tafeln Schokolade an, wenn man ihn mal mit der Hand ein Stückchen ziehen muss. Ich bin jedenfalls immer wieder überrascht, wie viel Zugmasse so eine kleine Lok dann doch oft sogar recht mühelos wegzieht.



Den Radius habe ich leider zu schnell "hingehuddelt" (Überschlagsrechnung). Ich habe das Video nochmal angeschaut und komme auf folgende Rechnung:
7 * Fcs (ca. 13cm) + 2 * Gbs254 (ca. 13cm) + 9 * Ucs908 (ca. 10cm) + Lok (28cm). Den Kupplungszuschlag hatte ich aufgrund meiner Erfahrungen mit Märklinmodellen dazu, den lasse ich mal weg.
Nun sind wir bei 235cm. Schon näher dran.

In Bezug auf die Lauffähigkeit der Wagen gibt es ein Hilfsmittel, das Du benutzen kannst, wenn Du eine Schiebelehre und eine Waage mit Grammeinteilung zur Hand hast:
in meinem Onlinerechner Zugmassebestimmung brauchst Du nur die gefragten Angaben einzutippen, den Fahrwiderstand rechnet die Seite automatisch mit javascript aus.

mit freundlichen Grüßen,
Stephan-Alexander Heyn


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#5 von WiTo , 02.01.2020 11:22

Zitat

Guten Abend Thomas,

vielen Dank für Deine weiterführenden Angaben!

Zitat

...

Am Ende werden wir wohl bei rund 135 bis 140g liegen. Die Einschätzung, ob das viel oder wenig ist, kann ich mangels Erfahrungswerte dann nicht vornehmen. In jedem Fall fühlt sich so ein Zug in der Wendel jedesmal deutlich schwerer, als 1,5 Tafeln Schokolade an, wenn man ihn mal mit der Hand ein Stückchen ziehen muss. Ich bin jedenfalls immer wieder überrascht, wie viel Zugmasse so eine kleine Lok dann doch oft sogar recht mühelos wegzieht.



Den Radius habe ich leider zu schnell "hingehuddelt" (Überschlagsrechnung). Ich habe das Video nochmal angeschaut und komme auf folgende Rechnung:
7 * Fcs (ca. 13cm) + 2 * Gbs254 (ca. 13cm) + 9 * Ucs908 (ca. 10cm) + Lok (28cm). Den Kupplungszuschlag hatte ich aufgrund meiner Erfahrungen mit Märklinmodellen dazu, den lasse ich mal weg.
Nun sind wir bei 235cm. Schon näher dran.




Hallo Stephan-Alexander,

ja, ja, die netten Ucs, die nehme ich sehr gerne, um die Wagenanzahl pro Zug in die Höhe zu treiben, denn mit nur rund 10 cm verbrauchen sie wenig Länge und verfügen auch noch über sehr gute Rolleigenschaften und sind in Kurven, trotz ihres hohen Schwerpunktes, recht kippstabil. Und bei gleich 9 Stück ergeben eben 3 cm Überschätzung schon mal eben knapp 30 cm. Und schon ist man beim Umfang von R2.

Zitat

In Bezug auf die Lauffähigkeit der Wagen gibt es ein Hilfsmittel, das Du benutzen kannst, wenn Du eine Schiebelehre und eine Waage mit Grammeinteilung zur Hand hast:
in meinem Onlinerechner Zugmassebestimmung brauchst Du nur die gefragten Angaben einzutippen, den Fahrwiderstand rechnet die Seite automatisch mit javascript aus.

mit freundlichen Grüßen,
Stephan-Alexander Heyn



Tolle Sache, Dein Online-Rechner. Da werde ich mich wohl mal mit beschäftigen und wohl das ein oder andere Mal davon Gebrauch machen, bevor ich einen Zug auf den Weg schicke, Wobei ich in diesem Zusammenhang weniger der theoretische, als viel mehr der experimentale Typ bin.

Wie auch immer. Herzliche Grüße und ein gutes neues Jahr 2020.

Thomas (WiTo)


Meine Anlage:
https://www.stummiforum.de/viewtopic.php?f=64&t=121964

Computer hat man, um Probleme zu lösen, die man ohne Computer nicht hätte (für Modellbahnanlagen gilt sinngemäß das Gleiche).


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RE: Zugkraftangaben (aus 78.10 Artikelserie)

#6 von SAH , 13.01.2020 07:29

Guten Morgen Thomas,

Zitat

Tolle Sache, Dein Online-Rechner. Da werde ich mich wohl mal mit beschäftigen und wohl das ein oder andere Mal davon Gebrauch machen, bevor ich einen Zug auf den Weg schicke, Wobei ich in diesem Zusammenhang weniger der theoretische, als viel mehr der experimentale Typ bin.



wenn Du Wagenmodelle ausprobiert und Deine Auswertung mit dem Rechner verglichen hast, dann bitte ich um Rückmeldung (diese Bitte gilt allgemein). Insbesondere, wenn Deine Wagenmodelle Rad- und/oder Achsschleifer haben.

mit freundlichen Grüßen,
Stephan-Alexander Heyn


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