.
Der Fluch der Akribik, Teil 208
OSTERPUTZ IM ADVENT
Die Arbeit an den Spantenwagen ging diese Woche wieder recht zäh voran, das Zwischenergebnis ist unergiebig.
Auf speziellen Wunsch Viktors zeige ich statt der Spantenwagen mein Werkzeug. Es ist sowieso hoch an der Zeit, mein Werkzeug zu sichten, zu reinigen und schadhaft gewordenes auszutauschen.
Um Enttäuschungen vorzubeugen: beim Modellbau geht es meiner Meinung nach primär nicht ums „womit“, sondern meistens zuerst einmal ums „wie“. Hat man erst einmal seinen ganz persönlichen Weg gefunden, ein kompliziertes Problem zu lösen, ergibt sich das benötigte Werkzeug fast von selbst. In dieser Hinsicht ist Modellbau eng verwandt mit Schach – wenn nicht sogar dem Schachsport haushoch überlegen, weil es nämlich noch keine Modellbaucomputer gibt, die in der Lage sind, Modellbauer zu schlagen…
SELBSTGEBAUTES WERKZEUG
Von dieser Weinert-Handbremse benötige ich für die Spantenwagen nur die Kurbel, denn das Gestänge ist für meinen Zweck zu kurz:
Bis hierher ist das kein Problem, denn ein kleiner watenfreien Seitenschneider sollte sowieso auf jedem Basteltisch bereit liegen, wenn kleine Kunststoffbauteile oder kleine Messingbauteile sauber vom Gussgrat zu trennen sind:
Für jene unter uns, die das nicht kennen: mit „watenfrei“ ist gemeint, dass diese Zange das Werkstück nicht quetscht, sondern auf seiner geraden Seite einen ganz geraden Schnitt ausführt. Dieser Xuron-Seitenschneider hier ist auch in der Lage, Schienenprofile ganz gerade abzutrennen.
Mir sind mehrere Kurbeln von meinen Güterwagen-Frokeleien übriggeblieben. Bei Güterwagen mit geschlossenen Bremserhäusern konnte ich nur den unteren Teil brauchen, die Kurbeln blieben über und finden nun eine sinnvolle Verwendung. Aber wie kommt jetzt das winzige Loch für die neue Stange in die Kurbel?
Nach einigem Probieren bohrte ich ein Loch mit 0,5mm Durchmesser in ein Holzklötzchen und steckte die abgetrennte Kurbel mit ihrem kurzen Stummel ins Holzklötzchen. Nun konnte ich problemlos an der Kurbel feilen, einen Körner ansetzen und ein 0,4mm-Loch hindurchbohren.
So gesehen war eigentlich dieses unansehnliche, primitive, selbst hergestellte Holzklötzchen-Werkzeug entscheidend für das Gelingen des Bohrlochs:
Ohne solche selbst gebaute Werkzeuge geht es bei mir nicht. Beispielsweise baue ich mir immer wieder Löt-Lehren aus Sperrholz, seit ich herausgefunden habe, dass es enorm lang dauert, bis man Sperrholz mit einem kleinen Lötkolben so stark beschädigt, dass es unbrauchbar wird.
Darüber hinaus hat sich natürlich über 30 Jahre hinweg allerlei „richtiges“ Werkzeug angesammelt.
NOTEBOOK UND GROSSER BILDSCHIRM
Ein altes Notebook und einen etwas beschädigten, großer alten Bildschirm verwende ich, um Pläne und Vorbildfotos anzusehen. Ich habe den größten Teil meiner Foto- und Pläne-Sammlung bereits digitalisiert.
AUFBEWAHRUNG
Mein Werkzeug liegt in einer billigen Zahnarztschale aus Fernost bereit. Der Anbieter nannte sie so. Bei meinem Zahnarzt habe ich so etwas noch nicht gesehen, der benutzt eher wesentlich teurer aussehende Stahlschalen:
Darin bewahre ich auf:
MESSER
Zwei verschiedene OLFA-Cutter - einen mit den üblichen 45°-Klingen und einen mit besonders spitzen 30°-Klingen (vorne), sowie Ersatzklingen:
NADEL, SONDE, HAKEN
Eine „Zahnarztnadel“ (oben) von Fohrmann, die ich derzeit hauptsächlich zum Körnen von Bohrungen in Kunststoff und in Messing verwende:
Die beiden anderen Werkzeuge, eine Sonde und ein Haken, waren im Set enthalten, aber ich brauchte sie bislang kaum. Vielleicht werden sie später beim Ritzen von Gips Verwendung finden.
PINZETTEN
An Pinzetten liegen ständig bereit: eine Schneidpinzette, eine glatte spitze Pinzette, zwei gerippte spitze Pinzetten, eine Klemmpinzette.
FEILEN
Für kleine Messingteile verwende ich eine halbrunde Präzisionsfeile von Vallorbe-Grobet, die ich in der Bucht erwerben konnte:
WINKEL
Für exakt rechtwinklige Arbeiten an Fahrzeugen und Gebäuden verwende ich drei verschiedene Winkel:
Oben: zwei verschiedene Winkel von Fohrmann. Besonders gerne verwende ich den oberen, denn er hat einen Anschlag. - Unten: ein Winkel 3 x 3,5cm für Arbeiten z.B. innen in offenen Güterwagen, aus einem NS-Ätzblech-Rest selbst hergestellt.
BOHREN, BOHRUNGEN AUFWEITEN
In einem primitiven, aus Sperrholzstreifen geleimten Ständer habe ich stets griffbereit: zwei zu Schneidwerkzeugen zugeschliffene kleine Schraubendreher, sowie Bohrer 0,3 – 0,4 – 0,5 – 0,6 – 0,8 – 1 – 1,2 Millimeter, jeder zum sofortigen Gebrauch hergerichtet in einem eigenen Stiftenklöbchen:
Beschriftung nicht erforderlich, die paar Maße kann ich mir merken.
Weiters liegen drei größere Bohrer bereit: 1,5 – 2 – 2,2 Millimeter (letztere für Federpuffer)
sowie ein Kugelfräser 2,2 Millimeter, ebenfalls für Federpuffer:
Nicht abgebildet: ein Satz Reibahlen dient mir zum vorsichtigen Aufweiten von Bohrungen.
SCHIEBELEHRE
Eine Schiebelehre ist unabdingbar, aber da ich viel zu wenig fein arbeite, als dass man mir jemals in den H0pur-Himmel Einlass gewährte (in dieser Hinsicht sind wir Kärntner den Münchner Dienstmännern gleichgestellt, die kommen laut Ludwig Thoma auch nicht in den Himmel ), ist es keine elektronische.
Hundertstel Millimeter misst sie nicht. Dafür ist sie sehr robust und begleitet mich schon seit meiner Studentenzeit.
ZANGEN, SCHEREN, SÄGEN
Zangen und Schneidewerkzeuge bewahre ich in einem selbst adaptierten Kästchen aus dem schon erwähnten schwedischen Modellbahngeschäft auf, das sich unbeirrt irrtümlich für ein Möbelhaus hält:
Das Kästchen enthält den schon gezeigten watenfreien Xuron-Seitenschneider, zwei verschieden breite Flachzangen von Fohrmann, eine Rundzange, zwei günstige Goldschmiedescheren aus dem Baumarkt, einen Knipex-Seitenschneider zum Schneiden besonders harter Drähte und Stifte, einen „gewöhnlicher“ kleinen Seitenschneider, eine Spitzzange, eine Kombizange, weiters zwei Roco-Sägen mit unterschiedlicher Sägeblatt-Stärke (0,3 und 0,4mm), eine Juweliersäge, billige Mikro-Schraubendreher und zahlreiche Ersatzbohrer.
LÖTEN
Zum Löten verwende ich eine billige, bis 450° C regelbare Lötstation eines bekannten Elektronik-Versandhauses:
Dazu gehören Felder Weichlöt- und Verzinnungspaste, Felder Elektronik-Lötpaste „E“, Elektroniklot 1 mm, Entlötlitze und Entlötpumpe, und davor liegt eine seit über einem Jahrzehnt als Löt-Unterlage verwendete kleine Holzfaserplatte. Oben auf der Lötstation thront ein Tippy verlässlich nicht indianischen Ursprungs .
LEUCHTLUPE
Ohne Abbildung: eine schon früher einmal gezeigte Leuchtlupe mit 3 Dioptrien.- Meine Leuchtlupe ist relativ groß und unhandlich und kostet aktuell etwa 80 Euro. Auf einer Messe sah ich kürzlich kleine, handliche Leuchtlupen um ca. Euro 35,00, die für unsere Zwecke völlig ausreichen dürften. SB-Modellbau beispielsweise bietet aktuell so etwas an.
AUFBEWAHRUNG VON CHEMIKALIEN, FIXIEREN, KLEBER UND LÖTPASTE AUFTRAGEN
Kleber, Säuren, Lösungsmittel, Brüniermittel - also alles, was man nicht ohne geringfügige Nebenwirkungen „ex“ trinken kann - hebe ich in einem billigen kleinen Apothekenkästchen „enkelsicher versperrt“ auf.
Da sich meine Enkel aber erst im Planungsstadium befinden, dient diese Maßnahme derzeit dazu, die Geruchsbelästigung gering zu halten. Das Kästchen hat nämlich eine recht gute Dichtung.
Brüniermittel und Kleber, die gerade verwendet werden, stehen in einer billigen Keramikschale:
Diese Schale soll als Auffanggefäß dienen, obwohl sich der Inhalt einer umfallenden Flasche wahrscheinlich eher über den Schalenrand hinaus ergießen dürfte…
Zum Halten diverser Bauteile verwende ich diesen Ständer mit den zwei Klemmen (rechts im Bild). Damit ihm nicht fad ist, wenn ich gerade nicht löte, also meistens, hält er mir in der Zwischenzeit einen Stabilit-Löffel, in welchem ich Superkleber bereithalte. Cyanacrylatkleber bleibt darin erstaunlich lange verarbeitbar.
Zum Auftragen winzigster Mengen Kleber oder Lötpaste verwende ich die Ölgeber in Bildmitte aus dem Wißner-Verlag. Ich glaube, Ingo gab mir seinerzeit diesen fabelhaften Tipp.
OHNE ABBILDUNG: DIVERSES
Selten verwendet und daher separat aufbewahrt:
Ein Dremel samt Zubehör
ein Stahllineal 30 cm
Bohrer für Messing-Achslager
ein Schleifstein (um spitze Werkzeuge zu schärfen)
ein Fingerhut
eine Juweliersäge
Wattestäbchen
So, nun ist mein Werkzeug wieder gereinigt und eingeräumt. Von Zeit zu Zeit muss auch das sein:
Ganz hinten, aber ganz wichtig: Zahnstocher z.B. zum Anrühren von Zwei-Komponenten-Klebern, zum sofortigen Abtragen von überschüssigem Kleber, zum Vorbereiten von Lötpaste, zum Fixieren etc.
Und das war’s auch schon, mein großes Werkstatt- und Werkzeug-Geheimnis. Die Könner unter euch werden sich über diese Übersicht allenfalls köstlich amüsieren, aber vielleicht ist für den einen oder anderen Anfänger etwas Brauchbares dabei.
- - - - - - -
@ Ermel: ärger mir bloß nicht den Erich! Ich schlage vor, dass du mit deinen Staubpartikeln eine ganz ernste Dienstbesprechung abhältst, damit sie diesen Unsinn in Zukunft sein lassen!
Bis zum nächsten Karl-Freitag
Euer Karl