Hallo "Münch" et al,
Zitat von Münch
Für mich entscheidender Vorteil des TGV ist daher -jenseits von jeglicher Beurteilung technischer Komponenten oder des Komforts-daß das
Konzept des TGV in Frankreich von der Politik auch entsprechend unterstützt worden ist.Wie schnell ist gerade der Bau der "Osttrasse"
vorangeschritten?Wenn in D noch um Streckenführung,Genehmigungen
und anderes gestritten wird,wird in F schon gebaut!Und die erheblichen
Kosten die der Weltrekord verursacht haben soll (wenn ich die Zahl richtig verstanden habe,über 35
Mio € ,wurden in F in keinster Weise infrage gestellt,weil man genau weiß,daß es beim Export des Konzepts
TGV letztlich um Milliarden geht.
mfg
Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Ein Vergleich ICE - TGV, insbesondere ein Vergleich der im Betrieb gefahrenen Geschwindigkeiten und der Genehmigungsverfahren, verbietet sich, da die grundlegenden Parameter nicht vergleichbar sind.
Ad 1) Technik
Technisch vergleichbar sind allein die ICE 1 + 2 und der TGV. Hier handelt es sich um Triebzüge, d. h. Triebköpfe an beiden Enden -beim ICE 2 jeweils an einem Ende eines Halbzuges- mit unmototrisierten Zwischenwagen. Ergo kein wesentlicher Unterschied zum Lokzug.
Hingegen handelt es sich beim ICE 3 um einen echten Triebwagen, bei dem die Antriebsmotoren über den gesamten Zug verteilt sind.
Vorteil ggü. Triebzug: Gleichmäßige Lastverteilung, dadurch geringere Achslast und entscheidend: Trotz geringerer Achslast deutlich bessere Traktion und deutlich bessere Beschleunigung. Letztlich noch ein Raumgewinn durch Entfall der reinen Triebköpfe.
Technisch ist daher allenfalls der ICE 3 auf der Höhe der Zeit. TGV und ICE 1 + 2 nicht.
Ad 2) Geschwindigkeit im Betrieb
All denen, die hier und an anderer Stelle auf die ach so tolle betriebliche HG des TGV hinweisen, sei ein Blick auf die Karte unseres westlichen Nachbarn angeraten.
Was sehen wir da?
Richtig: Mehr oder weniger in der Mitte -quasi als Spinne im Netz- der Großraum Paris.
Dann erst einmal lange nichts.
Und dann hier und da einige wenige größere Agglomerationen -Lyon, Bordeaux, Marseille. Und auch dort rundherum -mit Verlaub- Pampa.
Kurz: Frankreich besteht im Wesentlichen aus "Gegend" mit wenigen größeren (Sub-)Zentren.
Ein genauerer Blick auf die Streckenkarten zeigt weiter, dass die TGV-Linien sternförmig von Paris ausgehen, allerdings auch in Paris in Endbahnhöfen enden und beginnen, mithin erfordern, bei Reisen über Paris -und anders geht es ja nicht- umzusteigen und -per U-Bahn, Nahverkehr p.p.- von einem Endbahnhof zum anderen zu gurken.
Ein Vergleich mit einer Karte von D zeigt, dass hier die Landschaft wesentlich stärker be- oder zersiedelt ist.
So gibt es zahlreiche große Ballungszentren -Berlin und Umland (3,5 Mio Einwohner allein in Berlin), Hamburg, die Rhein-Ruhrschiene mit mehr als 6 Mio Einwohnern, Großraum Rhein-Main, Großraum Stuttgart, Großraum München, um nur die größten zu nennen.
Kurz: Deutschland besteht im Wesentlichen aus größeren Ballungszentren mit wenig(er) Gegend.
Ein Blick auf die Streckenkarte zeigt zweierlei:
1. Das Streckennetz -vor allem das ICE-Netz- ist linienförmig aufgebaut. Mit den Linien werden die großen Ballungszentren untereinander verbunden.
2. Hat das deutsche HGV-Netz -im Gegensatz zum französischen- auch eine europäische Funktion, nämlich die "Durchleitung" des HGV-Verkehrs von Nord nach Süd und von West nach Ost, ähnlich unserem BAB-Netz.
Aus diesen Parametern folgt, dass es keinen betrieblichen und wirtschaftlichen Sinn macht, die ICE zwischen den einzelnen, ohnehin nahe beieinander liegenden Ballungszentren, mit 300 km/h oder mehr zu "prügeln".
Wichtig ist vielmehr eine hohe Beschleunigung und -unter anderem daraus resultierend- eine hohe Durchschnittsgeschwindigkeit. Der effektive Fahrzeitgewinn bei einer von 250 km/h auf z. B. 300 km/h erhöhten HG ist hierzulande marginal und wirtschaftlich nicht sinnvoll.
Ad 3) Genehmigungsverfahren
Aus dem vorstehenden ergibt sich zwangsläufig, dass neue bzw. ausgebaute Strecken so gut wie immer durch Ballungszentren, mithin Ansiedlungen von Menschen, führen.
Dies wiederum hat zahlreiche betriebliche und planungsrechtliche Konsequenzen.
Um nur zwei Beispiele zu nennen:
1. Neubau und Ausbaustrecken müssen in das Bestandsnetz integriert werden. Insbesondere im Bereich der Bahnhöfe der Ballungszentren führt dies zwangsläufig zu Engpässen. Desweiteren kann in den Verknüpfungen der NBS und ABS mit den jeweiligen Bahnhöfen auf Grund der bestehenden und wirtschaftlich sinnvoll kaum zu ändernden Gleislage eine Erhöhung der bisherigen HG sinnvoll kaum erreicht werden.
2. Entscheidend ist weiter, dass aufgrund der Siedlungsstruktur in D bei der Planung von NBS und ABS regelmäßig die Belange der Anwohner berücksichtigt werden müssen. Und das ist, um es mit dem Regierenden aus Berlin zu sagen, gut so.
Allerdings werden hierdurch die Genehmigungsverfahren unstreitig erschwert und verlängert, was wiederum Einfluss auf die Kosten hat.
Wer jetzt wiederum aus Frankreich verweist, dem sei nochmals zum Blick auf die Karte geraten.
Und: Wenn in Frankreich auf die Belange der Anwohner weniger Rücksicht genommen wird, als hierzulande, heißt das doch nicht, dass hierzulande die Rechte der Anwohner beschnitten gehören.
Wer derartiges fordert, wohnt regelmäßig nicht an einer Eisenbahnstrecke, einer Autobahn p.p.. Sankt Florian lässt grüßen.
Schöne Grüße
Dirk Möller