Tach zusammen!
Heute stelle ich Euch mein vermutlich am längsten dauerndes Projekt vor: Die Motorisierung einer Revell-Plastikbausatz-Ludmilla. Und ich warne Euch, der Bericht könnte auch lang werden ...
Für alle, die den Bausatz nicht kennen, er wird hier vorgestellt und hier gibt's das fertige Modell zu sehen.
Mein Bausatz enthielt gleich zwei Modelle: eines der Baureihe 130, und eines der Baureihe 131 (beides Güterzugvarianten der Ludmilla, näheres siehe Wikipedia). Ich hatte mir das Set in der Absicht gewünscht, mich an den Loks auszutoben, was den Selbstbau des Antriebs und des Fahrwerks angeht. Die größte Herausforderung war dabei die Herstellung der Getriebe. Dazu muss man ja irre genau arbeiten, damit die Zahnräder nachher ordentlich funktionieren.
Also wurden kleine Zahnräder bestellt und ein Dremel Bohrständer beschafft. Der ist aber so weich, dass man eine 2mm-Bohrung schonmal nur mit 1mm seitlichem Versatz hinbekommt ... also Pustekuchen mit der Genauigkeit.
Probiert habe ich es trotzdem. Versuch Nr. 1 ließ sich nicht so zusammensetzen wie geplant. Also Versuch Nr. 2:
Zwei Messingbleche, die mit Hülsen auf Abstand verschraubt sind.
Da dachte ich noch, dass ich das Spiel der Zahnräder ja durch die Verschraubungen einstellen kann. Najaaaa, wenn man keine Referenz dafür hat, wann das Spiel gut ist, bringt das auch nix ... Außerdem ist es unpraktisch, wenn die Kardanbuchse so weit weg vom Drehpunkt des Fahrgestells ansetzt. Dann schwenkt sie nämlich in Kurven so weit aus, dass die Kardanwelle das kaum mehr ausgleichen kann.
Dat Dingen war sogar fahrfähig, hat aber einen irren Krach gemacht.
Versuch Nr. 3:
(das obere von den beiden)
Diesmal nahm ich ein Kunststoff-U-Profil, da das leichter zu bearbeiten ist mit meinen Werkzeugen.
Ergebnis: deutlich besser, aber immer noch nicht überzeugend; keine vernünftigen Befestigungspunkte für Drehpunkt und Drehgestellblenden und eine windige Montage des "Aufsatzes" mit Sekundenkleber. Dazu noch Zahnräder, die nur halb ineinander griffen ...
Dazu die Fahrwerkskonstruktion:
Da habe ich versucht, einmal alle Ideale umzusetzen: tief liegender Motor, Zwischenstufe in der Mitte der Lok, die dicken Zahnräder gleich noch als Schwungmasse und alles offen zugänglich. Die Bauform ist aber gleichzeitig sowas von unpraktisch mit den steil ansteigenden Kardanwellen. Das war denn auch das größte Problem dieser Variante. Damit starb letztlich die Idee des Getriebeselbstbaus. Zumindest so lange, bis ich mal richtiges Metallbearbeitungswerkzeug (Bohrständer und Fräsmaschine) besitze.
Dann verschwand das Projekt für viele Jahre in der Kiste.
Letztes Jahr fand ich auf der Jagd nach Bastelkrimskrams beim Händler meines Vertrauens einige Getriebeblöcke. Dreiachsige Dinger, ungewöhnliche Konstruktionen, bei denen die vordere und die mittlere Achse angetrieben sind und nicht die beiden äußeren, aber immerhin passte der Radstand ganz gut zur Ludmilla. Eine schnelle Recherche ergab, dass sie von einer Gützold 118/119 (Nachwende) stammen. Das war wohl auch der Grund, warum sie in der Wühlkiste gelandet waren: Gützold hatte wie Brawa Probleme mit geplatzten Zahnrädern. Naja, zum Glück ist Gützold inzwischen in guten Händen und die Ersatzteilversorgung gesichert. Also die Dinger gekauft und unter die Lupe genommen.
Davon habe ich leider kein Bild gemacht, aber im Grunde sehen die so aus.
Die Zahnräder waren schnell getauscht, das geht relativ einfach. Eine Anleitung dazu gibt es auch hier im Forum.
Durch den sehr hohen Ansatzpunkt des Drehzapfens verhalten sich die Getriebe recht ungeschickt: wenn man fahren will, werden die Vorderachsen entlastet und drehen irgendwann durch. Da ist es jetzt natürlich besonders blöd, dass ausgerechnet die mittlere und die äußere Achse statt wie üblich die beiden äußeren angetrieben sind. Wenn das Ding nun vorwärts fährt, würde die größte Last auf der nicht angetriebenen hinteren Achse ruhen.
Aus diesem Grund müssen die Haftreifen auch in die Mitte der Triebgestelle gesetzt werden. Der mittlere Radsatz bekommt nicht so viel Entlastung ab und liegt in beiden Fahrtrichtungen gut auf der Schiene auf. Anders als bei den Märklinloks schwebt er auch nicht ganz sanft über den Schienen, sondern liegt satt auf. Mit dieser Anordnung funktioniert das erstaunlich gut und die Lok kann ihre Kraft auf die Gleise bringen.
Nächstes Thema waren die Stromversorgung und die Drehgestellblenden. Die Stromabnahme habe ich über diverse dünne Radschleifer gelöst. Das ist nötig, weil zwar die Getriebe aus Metall sind, aber alle Räder zur Achse isoliert sind, also dort nix von der Masse ankommt.
Einmal "verschleifert":
Sieht ulkig aus, geht aber.
Als nächstes wurden die Drehgestellblenden der Revell-Loks angepasst. Sie mussten geteilt, wieder verbunden und vor allem von diversen hervorstehenden Teilen befreit werden, bis es passte. Die Revell-Modelle sind nämlich schön detailliert, aber so eben nicht betriebsfähig.
Dann wurde begonnen, das Fahrwerk anzupassen. Der Revell-Kunststoffrahmen hat schon viele Versuche mitgemacht, jedes Mal wurde ein bisschen mehr weggeschnitzt. Aber er sollte vorerst bleiben. Ohne Fräsmaschine kam ein Rahmen "aus einem Stück" Metall eh nicht infrage, also Mischbauweise Plastik/Metall.
Das Grundkonzept ist also der ausgehöhlte Revell-Lokrahmen aus Kunststoff, der zur Stabilisierung halbierte PVC-U-Profile an der Seite bekam. Das bildet erstmal die grobe Schale. So sieht das aus:
Darauf kommen dann zwei Stücke Flachstahl mit 4 mm Dicke. Die bringen Gewicht in die Lok.
Die Drehzapfen der seltsamen Getriebekonstruktion liegen irre hoch - sie setzen da an, wo die Kunststoffwangen des Rahmens enden. Deshalb sind sie auch direkt in den Stahlplatten gelagert. Genauer genommen ist nur das eine Getriebe im Stahl aufgehängt - durch die vielen früheren Versuche waren die Stahlplatten zu kurz. Weil das Bearbeiten von 4 mm gewalztem Stahl mit der Hand irre mühsam ist, habe ich die alten Stähle trotzdem wieder eingebaut und mit Kunststoffstücken verlängert. Der zweite Getriebeblock ist in dem dicken Kunststoffknubbel aufgehängt, der hinten im Bild zu sehen ist.
Eine Beleuchtung braucht die Lok auch noch. Das war unerwartet schwierig, weil bei der Ludmilla die Lichter sehr weit außen liegen und quasi direkt auf Höhe des Rahmens. Da wurde jeder Millimeter Kunststoff weggefeilt, der nicht dringend gebraucht wurde.
Die Konstruktion mit bedrahteten SMD-LEDs, deren Anschlussdrähte einfach durch Löcher in der Kunststoffplatte gesteckt werden, ist zwar einfach herzustellen, aber letztlich nicht gut: wabbelig und die LEDs sitzen nicht richtig fest. Bei der Lichtplatine für die andere Lokseite war ich fleißiger und habe sie auf einer Lochrasterplatine aufgebaut.
Als nächstes wird der Motor in der Bodenwanne eingehängt. Es handelt sich hier um einen Bühler-Modellbahnmotor, dessen Datenblatt sehr dünn (bzw. nicht existent) war. Läuft ziemlich rau, das Ding, ist aber schön zugkräftig. Auf einer Seite habe ich eine Schwungmasse aufgezogen - und los geht's.
Nun denn - da hatte ich alle Teile für ein funktionsfähiges Fahrwerk zusammen. Also puzzeln wir mal.
Montage des Drehgestells: es wird einfach unten in die Bohrung im Stahl eingesteckt.
Nebenbei sieht man auch schön, wie man eine Kardanwelle ersetzen kann, wenn gerade keine greifbar ist. Mal sehen, wie lange das gut geht.
Nochmal die Seitenansicht - man sieht die Gewichte und den Motor - und schon kann's losgehen! Die erste Testfahrt stand an.
So sah das aus: ein Schubkrafttest, dabei lief die Lok noch an der Leine, weil die Stromversorgung noch nicht fertig war und sie noch keine Kupplungen hatte. Ergebnis: sie schiebt gut!
Der nächste Schritt war also das Ziehen eines richtigen Zuges. Mit fertiger Stromversorgung, Decoder und Kupplungen ausgerüstet ging es ans Werk.
Es gibt sogar ein Video. Die Lok fährt gut, ist aber ein richtiger Knurrhahn. Sie hat eben Charakter.
Und siehe da - ich hatte es geschafft: das Plastikmodell von Revell konnte fahren. Yippie! 9 Jahre nach den ersten Versuchen! :D
Mir ist klar, dass das absolut nicht sauber gebaut ist. Das war zwar eigentlich mein Ziel, aber die ganze Sache war so komplex, dass ich am Ende froh war, eine funktionierende Lokomotive vor mir stehen zu haben. Das ist doch schonmal was! Und vielleicht kann man sie als Prototyp für zukünftige Lokomotiv-Selbstbauten sehen.
Soo, werte Leser, wer bis hierhin dabeigeblieben ist: Demnächst kommt hier die Fortsetzung, in der ich den "schönen" Teil mit dem Gehäusebau präsentiere. Bis dahin freue ich mich über Kritik am Baubericht (zu lang, zu hemdsärmelig, zu abgefahren, was Euch in den Sinn kommt). Und als Belohnung gibt es für die, die wollen, noch ein schönes Ludmilla-Spoilerbild der fertigen Maschinen.
Gruß
David