Hallo,
zu dem Thema habe ich mal eine zeitgenössische Darstellung von 1915 als Digitalisat im originalen Zeilenumbruch
Quelle:
ZEITUNG des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen,
Organ des Vereins.
Fünfundfünfzigster Jahrgang.
1915.
Seite 809:
Deutsche Lazarettzüge.
Bei Ausbruch des großen Krieges hat der Edelsinn einzelner
und ganzer Gemeinschaften reichliche Mittel zur Verfügung gestellt,
um dem bedrängten Vaterlande auf allen Gebieten zu
helfen. Dazu gehört in erster Linie, den teuren Verwundeten
zu helfen und sie mit Sorgfalt in die Heimat zurückzubringen,
wo sie unter pflegender Hand Heilung und Erholung finden
können. Zu diesem Zwecke wurden bequeme Lazarettzüge eingerichtet,
die außer guten und zweckmäßigen Lagerstellen für
die Verwundeten mit allen modernen Hilfsmitteln zur Linderung
der Schmerzen und zur leiblichen Pflege versehen sind.
Während schon in Friedenszeiten für je zwei Armeekorps
ein Lazarettzug vorgesehen ist, werden in Kriegszeiten außerdem
noch Vereinslazarettzüge vom Roten Kreuz eingestellt und
es sind bis jetzt ungefähr 90 Lazarettzüge unterwegs, darunter
etwa ein Drittel Vereinslazarettzüge.
Ein Lazarettzug umfaßt im allgemeinen 38 bis 40 Wagen
und darf 80 Achsen nicht überschreiten. Die Höchstzahl der
Zuggäste beträgt 300. Als Wagenmaterial werden meist umsebaute
Vierterklassewagen mit Übergangsbrücken verwendet.
Sämtliche Wagen sind durch Laufgänge miteinander verbunden,
so daß das Personal durch den ganzen Zug gehen kann. Von
den Wagen sind etwa 25 Krankenwagen, es sind ferner 2 Wohnwagen
für die Sanitätsmannschaft bezw. für die Krankenschwestern
mit 10 bis 12 Betten, 2 Heizkesselwagen, 2 Vorratswagen
für die Küche, Wäsche usw., 1 Ärztewagen mit 5 Betten,
2 Wagen, von denen der eine ganz, der andere zur Hälfte für
die Küche dient, während die andere Hälfte als Speisesaal für
die Ärzte und Schwestern benutzt wird, 1 Verbands- und
Öperationswagen, 1 Verwaltungswagen mit 5 Betten, 1 Packwagen
und 1 Güterwagen im Zuge.
In den Krankenwagen sind je 10 bis 12 Betten übereinander
gestellt, während die Offizierskrankenwagen nur bis zu 8 Betten
enthalten. Die Bettstellen sind aus Eisen oder Holz mit Gegendruckfedern
gewählt, und zu jedem Bett gehört eine Matratze,
2 wollene Decken mit Leinenbezügen, eine Reservewolldecke
mit Kopfkissen, 1 Bettuch mit leinener Unterlage zur Schonung
des Bettuches. Ferner befindet sich in jedem Krankenwagen
ein Tisch mit einigen Stühlen, ein Wäscheständer oder Schemel
mit Waschgeschirr, ein Liege- und ein Klappstuhl, ein Wäschebeutel,
ein Wand- und ein Fieberthermometer, ein Faß mit
Trinkwasser, ein Schränkchen mit Eßgeschirr und ein Torfklosett,
Die Mittelgänge der Wagen sind mit Linoleum belest und
vor den Eingangstüren sind Vorhänge als Windfänger angebracht.
In ähnlicher Weise sind auch die Wagen für das
Krankenpflegepersonal eingerichtet und in diesen fehlen nur die
zur Pflege notwendigen Gegenstände. Die beiden Heizkesselwagen
enthalten je einen großen Hochdruckkessel und übernehmen
die Heizung des Zuges völlig unabhängig von der
Lokomotive, einesteils weil diese nicht ausreichen würde oder
die entsprechende Einrichtung zur Dampfabgabe für diesen
Zweck überhaupt nicht besitzt, andernteils um auch beim
Stillstand im Feindesland dauernd für Heizung sorgen zu können.
Die Vorratswagen dienen zur Aufnahme von Lebensmitteln
und Materialien aller Art, ferner sollen die für die Feldlazarette
und die im Feindesland kämpfenden Krieger bestimmten Liebesgaben
darin aufgenommen werden. Zu diesem Zweck haben die
Wagen zu beiden Seiten Verschläge, Lattenschränke und verschließbare
Fächer bekommen.
Der Wohnwagen für die Ärzte besteht aus zwei Abteilen,
dem kleinen für den leitenden Arzt und dem größeren für
drei Ärzte und den Kolonnenführer vorgesehenen Raum. Im
Abteil des leitenden Arztes befindet sich ein Schreibtisch,
Stühle und Schränke, ein Liegestuhl und ein Bett. Der andere
Raum für die Ärzte und den Kolonnenführer ist ähnlich ausgestattet
und zwischen den beiden Abteilen ist ein Marmorwaschtisch
eingebaut. Eine ziemlich gleiche Einrichtung weist
der für den Transportführer und für die Schwestern bestimmte
Wagen auf. Der Ärztespeisewagen ist ebenfalls durch eine
Wand in zwei Abteile getrennt. Für den Speiseraum der
Ärzte, des Transportführers, des Kolonnenführers und der
Schwestern ist das größere Abteil eingerichtet und enthält einen
langen Tisch mit Stühlen, Schränke, Liegestühle, Waschselegenheit,
Wandthermometer u. dergl. m. In dem kleinen
Abteil ist ein Teil der Küche untergebracht, es befinden sich
darin zwei große Dampfkochkessel mit ie ca. 150 Liter Inhalt,
ein großer Wasserbehälter, sowie sonstige Küchengerätschaften.
Mit diesem Wagen ist der eigentliche Küchenwagen verbunden,
in dessen einem Abteil sich zwei große Herde mit Kohlenfeuerung,
einige Kochkisten, Schränke, Hackklotz, Brotschneideund
Messerputzmaschinen befinden. Im anderen Abteil ist eine
Spülvorrichtung, ein Eisschrank, ein Wasserbehälter und
sonstige Küchengerätschaften untergebracht. Die Küchenanlagen
sind wohl kostspielig, aber in jeder Hinsicht zweckmäßig,
sie gewährleisten auch bei Vollbesetzung des Zuges eine
schnelle und gute Verpflegung.
Damit in Gefahrfällen Operationen 'vorgenommen werden
können, wird ein Verbands- und ÖOperationswagen mitgeführt.
Er weist auf der einen Seite den ÖOperationsraum, auf der
anderen den Verbands- und Arzneiraum auf. In ersterem befindet
sich ein Öperationstisch, Tische zum Niederlegen ärztlicher
Gerätschaften, eine Warmwasservorrichtung, Schränke,
Sterilisatorr und die zur Operation notwendigen Instrumente.
Im Nebenraum sind Arzneien, Entseuchungsmittel, Verbandsstoffe,
ärztliche Geräte und Krankenpflegesachen untergebracht.
Die Ausstattung dieses Wagens, der ganz mit Linoleum belegt
ist, entspricht weitgehenden Anforderungen, da er trotz der
räumlichen Beschränktheit mit allen neuzeitlichen Einrichtungen
der Chirurgie versehen ist. Der Gepäckwagen und der
bedeckte Güterwagen dienen zum Aufenthalt für das Zugbegleitpersonal
bezw.- zur Aufnahme von Kohlen, Torfmull,
Kochkisten und allerlei Gerätschaften.
Die für die Kranken und das Personal bestimmten Wagen sind
hell und freundlich und durch den weißen oder hellen Anstrich
recht wohnlich geworden. Sie sind mit hübschen Bildern geschmückt
und untereinander durch eine Fernsprechanlage verbunden,
die eine Verständigung der Ärzte mit dem Pflegepersonal
während der Fahrt ermöglicht. Die Beleuchtung der
Wagen erfolgt durchweg mit Gasglühlicht, daneben ist eine Notbeleuchtung
mit Karbidlaternen oder Lichtpatronen vorhanden.
Alle Wagen besitzen auf den Längsseiten und auf dem
Wagendach ein großes Genfer Kreuz im weißen Felde, damit
es auch von Flugzeugen bemerkt werden kann.