Hallo Leute,
wie in einem anderen Thread bemerkt, habe ich drei Mitteleinstiegswagen aus ehemaliger Kiss-Produktion in Spur 1, zwei Byl und ein AByl.
Ehrlich gesagt empfand ich die, obwohl ich sie gebraucht und schon leicht beschädigt (Bremsanlage) recht günstig erstehen konnte, als echten Fehlkauf. Wegen der meiner Meinung nach im Vergleich zu z.B. Märklin wirklich mangelhaften Qualität:
-Der Kunststoff der Seitenwände wölbt sich leicht nach außen.
-Die Fenstereinsätze fallen schon beim schräg Ansehen heraus, ähnlich ist es mit den Gummiwulsten.
-Furchtbar schlecht zu demontieren - mal eben Dach abnehmen geht gar nicht - wirklich dumm, wenn wieder mal ein Fenster nach innen herausgefallen ist...
-Anbauteile, die mit Puffern und/oder Kupplungen kollidieren.
-Apropos Kupplungen: Schon im Spur 1-1020er Bogen hebelten die allzu straff konzipierten Kupplungsfedern die Drehgestelle heraus, zumal wenn ein Weichenherzstück dabei ist.
-Zu schlabberig konzipierte Drehgestelle; Achsen fallen auch mal so bei der Fahrt heraus (auch auf Spur 1-Gleisen) und die Kontaktfedern verbiegen beim Wiedereinsetzen viel zu leicht.
-usw. usw. usw...
Jedenfalls hätte ich ja soooo gern einen 75cm-Steuerwagen - aber den Kiss BDylf werde ich mir tunlichst verkneifen. Schade dass der Märklin-Silberling länger ist. Naja, andere Story...
Wie auch immer. Man sieht: Es musste etwas passieren und es war mir nicht schade darum, massiv in die Wagen einzugreifen, um endlich was daraus zu machen.
Darum für Spur 1-Detailenthusiasten:
Sehen Sie sich diesen Beitrag nur im Beisein eines schulterzuckenden praxisorientierten Gartenbahners an.
Es könnten vorbildorientierungs(ver)störende Bilder dabei sein...
Zunächst mal so ein Wagen von unten. Man erkennt vielleicht an der Kupplung, dass sie schon arg sehr zwischen den Puffern sitzt. Also man musste schon mit sanfter Gewalt agieren, um so zwei Wagen in der Geraden zusammenzukuppeln, das war eigentlich gut einen bis zwei Millimeter zu knapp. Ob man sich dachte, dass die Käufer ohnehin Schraubenkupplungen verwenden würden?
Hier der Tunichtgut Rückholfeder der Kurzkupplung. Die hebelte, wie gesagt, die Wagen rasch mal aus dem Bogen. Ob man sich dachte, dass Käufer erst ab 2m-Radien aufwärts fahren?
Zunächst mal wird demontiert. Hier sind Drehgestell und Kupplung bereits weg. Übrigens auch die unteren Trittstufen, leider. Aber die hebe ich auf, ich denke über eine bewegliche Lösung nach... da muss ich aber noch eine Weile grübeln.
Ziel des Umbaues ist eine Kupplung mit Deichsel am Drehgestell. Damit diese Deichsel ausscheren kann, müssen alle Ösen für Zurüstteile an der Pufferbohle verschwinden.
Hier sind die Teile für den Umbau: Das Original-Drehgestell, Drehgestell-Adapter inklusive Deichsel von Strauß (bei Heyn erhältlich), eine Unterlegscheibe M6, eine Hübner-Kupplung (die tausche ich immer gegen die klassischen Märklin-Kupplungen aus und hab daher stets eine Handvoll für solche Umbauten übrig) und ein paar Schrauben.
Zunächst mal passen wir den Adapter, dessen Quersteg zufällig genau auf die Querholme des Kiss-Drehgestells passt, an. Zwei 1,5mm-Löcher werden vorgebohrt (Achtung, nicht zu tief, direkt benachbart sind die Befestigungen der Kontaktfedern auf der anderen Seite)...
...so sieht das im Ganzen aus...
...und schon ist der Adapter draufgeschraubt.
Jetzt wird es brutal: Von unten bohren wir ein 12mm-Loch bzw. erweitern das im Drehgestell vorhandene. Achtung! Mit Standbohrmaschine arbeiten und genau (!!!) zentrieren, sonst wäre das Drehgestell nachher außermittig (das arme vor Angst zitternde Drehgestell erzeugte die Unschärfe, sorry...). Übrigens muss der Adapter nachher nochmal ab, aber das Bohren im aufgeschraubten Zustand garantiert zentrierte Löcher.
Während die gebohrten Bauteile sich vom Schreck erholen, bearbeiten wir den Wagenboden. Da sind zwei Wulste auf der einen Seite neben dem Zapfen wohl für variierende Auflage - die schleifen wir plan.
Jetzt wird in den Querholm des Drehgestells (nach neuerlichem Abschrauben des Adapters) ein passender Ausschnitt für die M6-Unterlegscheibe gefräst...
...und der Adapter wieder aufgeschraubt. Die Scheibe sollte jetzt durch den Aufpressdruck des Adapters schon halten, aber ich habe sie dennoch mit ein paar Tropfen Sekundenkleber fixiert.
Brutale Verstümmelung oder "Horror on Elm... äh... Umbau Street" Teil 2: Die Drehzapfen haben leider einen Durchmesser von so um die 6,5-7mm, hab es nicht genau gemessen. Die Spreizzapfen können das Drehgestell nicht mehr halten, da ja der Adapter den Abstand etwas erhöht. Deshalb feilen wir den Zapfen auf knapp 6mm ab, das ist nicht viel. Mit einer übrigen Scheibe kann man kontrollieren, ob sie sich leicht dreht. Die Scheiben im Drehgestell sind also künftig die Lager. Wer M7-Unterlegscheiben verwenden will, kann sich diesen Schritt sparen. Es wackelt dann aber ein bisschen hin und her. Das wollte ich nicht.
Die Deichseln der Adapter, die schon viele vorgebohrte Löcher haben, lassen sich individuellen Bedürfnissen anpassen. Für die Kiss-Drehgestelle musste ich sie etwas kürzen. Vorne auf die Deichseln passen natürlich ohne Probleme G-"Flaschenöffner"-Kupplungen, aber die konnte ich ja wegen der anderen Spur 1-Fahrzeuge nicht verwenden.
Ich habe dann noch ein Loch mehr gebohrt und die Deichsel von unten mit einer Zylinderschraube befestigt, wieder auch noch ein bisschen Kleber dazu gegeben. Übrigens hier nur die Probe - die Deichsel ist nämlich (aus Versehen) für meine Zwecke verkehrt herum. Dreht man die Aussparung nach oben, passt die Deichsel nämlich problemlos unter den etwas unter die Bohle ragenden Puffern hindurch! Für den Flaschenöffner wäre es allerdings so wie hier gezeigt richtig.
Hier die Drehgestell-Massenproduktion fertig zum Einbau in die Wagen - mit richtig gedrehten Deichseln!
Ach Momentchen noch, die Kupplungen müssen ja noch dran! Das Vorderteil der Hübner-Kupplungen habe ich für meine Zwecke passend mit einer Schraube an der Deichsel festgemacht, und zwar so, dass sie sich noch mit geringem Kraftaufwand um die Schraubenachse drehen können. Leichtes Kuppeln auf Gartenbahnradien bedingt nämlich Kupplungen mit idealerweise zwei Drehpunkten zur Wagenachse. Der erste Drehpunkt ist das Drehgestell, der zweite die hier gezeigte Schraube. So passt es auch überall in engen Kurven und Gegenbögen.
Das eingebaute Drehgestell, nur noch die Kontaktdrähte müssen angelötet werden. Was man nach eigenem Gusto machen kann, ist die Sicherung des Drehgestells von unten. Da ich die Wagen praktisch nie anhebe (sie bleiben auf den Schienen, auch zur Lagerung) reichen mir die gut verlöteten Drähte. Man kann aber auch noch eine Hülse über die Kabel und Zapfen kleben. Das würde ich machen, wenn's nötig würde.
So, das Ergebnis: Hier der Abstand der Wagen zueinander in einem 900er-Bogen.
Endlich fahren die Wagen auf allen meinen Gleisen! Mit der 220 sind sie als Eilzug bis Tomatenhaus gekommen...
...wo die 211 den Zug übernommen hat, denn durch so enge Radien wie diesen (variiert bis hinunter auf 70cm) kommt die 220 nicht, die 211 aber schon. Wem es jetzt vor den Wagenabständen graust, hier die Erinnerung: NEIN, es handelt sich NICHT um den Vorschlag zur Superung der Wagen... es geht darum, mit ihnen Spaß zu haben, und dazu müssen sie eben auch solche Radien meistern können. Sonst hätten es auch andere Kurzkupplungen getan, nicht wahr...
Und hier der Zug angekommen in Seeufer. Das erinnert mich an den Hinweis in alten DR-Kursbüchern auf "Bahnhöfe mit Bahnsteigen, die für die Zuglänge nicht ausreichen" oder so... naja was solls.
Um übrigens jetzt zurückfahren zu können, muss die Köf (von LGB) den Zug erst abziehen, dann fährt die 211 aufs Umfahrgleis, dann schiebt die Köf den Zug bis vor den Prellbock und geht ab, dann rangiert die 211 an die neue Zugspitze und zurück kann es gehen.
Bei den Probefahrten fiel noch auf, dass für manche Lokomotiven (wie z.B. die Märklin-218) die Kupplungen etwas zu tief sitzen, so dass Entkupplungen vorkommen können. Das liegt daran, dass leider die Spur 1-Kupplungen manchmal etwas "hängen" und der untere Blechstreifen sowieso bei den Hübners nichts mehr halten kann. Da aber der Haken der Hübners senkrecht (zum Entkuppeln eigentlich) verstellbar ist, kann man ihn auf die ideale Höhe verschieben und dann mit Kleber fixieren. Da ich nicht automatisch entkuppele, geht das für mich problemlos. Zum händischen Entkuppeln haben die Drehgestelle zufällig solch ein horizontales Spiel, dass es trotz fixierter Kupplungshaken ohne Probleme funktioniert.
So, jetzt habe ich drei Ärgerwagen weniger. Sie lagen ja schon drei Jahre bei mir herum.
Vielleicht hilft dieser Bericht aber auch solchen ohne Ärgerwagen, die Tipps für einen Kupplungsumbau brauchen?
Wie dem auch sei, viel Vergnügen weiterhin wünscht
Guido