Hallo zusammen,
in der Tat ist es nicht so einfach, aus technischen Angaben einer Lok, deren maximale Zugkraft abzuleiten. Bei einem Pkw kann ja auch nicht ohne weiteres aus der angegegeben Leistung, auf dessen Höchstgeschwindigkeit schließen. Gut der Vergleich hinkt stark, macht aber vielleicht deutlich, wie schwierig solche Überlegungen sind, wenn man nicht wirklich alle relevanten Parameter kennt.
Die DB Netz, als Infrastrukturbetreiber, hat für zahlreiche Lokomotiven Angaben zu deren Grenzlasten, also der auf einem Streckenabschnitt maximal zulässigen Anhängelasten, in Tabellen erfasst. Wenn man einen konkreten Zug fahren möchte, und die zulässigen Grenzlasten für diesen Zug nicht ausreichen, dann kann man auch noch eine Einzelgrenzlastberechnung in Auftrag geben, dann rechnet DB Netz noch einmal genau nach.
Schaut man sich die Grenzlasttabellen einmal an, dann fällt auf, dass dort Dinge eine Rolle spielen, mit denen man viellicht garnicht gerechnet hätte. So spielt bei einer vorgegebenen Last zum Beispiel auch die Zuglänge eine Rolle. Dabei kann ein längerer Zug oft mit einer (leicht) höheren Last gefahren werden, als ein kurzer Zug.
Als Beispiel habe ich mir mal die Mühe gemacht und die Werte für ein paar typische Loks (leider ist die hier so vergötterte 150 nicht mehr mit dabei, aber immerhin die 194) für den Abschnitt Haiger - Rudersdorf an der Ruhr/Siegstrecke herausgesucht. Dieser Abschnitt wird mit einer relativ konstanten, aber nicht zu übermäßigen Steigung von rund 12-13 Promille bewältigt. Für den Zug habe ich eine Zughakengrenzlast von 1.500kN (z.B. autom. Mittelpufferkupplung) gewählt, um mögliochst viel Spielraum für die Ergebnisse zu haben und nicht schon durch diesen Faktor limitiert zu sein.
Folgende, zum Teil recht überraschende Ergebnisse, spukt das System (GretA) der DB Netz für diesen Abschnitt für einen 600m Zug aus (bitte verzeiht mir einige polemische Kommentare, ist nur Spaß, bitte nicht zu ernst nehmen):
BR Achsen Grenzlast
194 6 1.160 t
151 6 1.660 t
155 6 1.590 t
156 6 1.560 t
damit hat die 151 den Ost-West-Vergleich der Staatbahnboliden schon mal zugunsten der Bundesbahn entschieden :-)
Nun schauen wir mal, wie sich diese 6-achser im Vergleich zu den 4-achsern der gleichen Epoche schlagen.
140/139 4 1.140 t
143 4 1.140 t
Klares Unentschieden! Aber für die uralt 194 mit ihren 6 Achsen reicht es zumindest schon fast.
Was erreichen nun die modernen Drehstomloks der ersten Generation?
120 4 1.550 t damit ist die Urdrehstromlok der DB AG schon bis auf 10 t an den Reichbahnkolloss BR 156 herangekommen! Sehr überraschend, wenn man auf die reinen Parameter schaut!
145 4 1.610 t schon diese eher schwach "motorisierte" (gerade mal 4.200 kW) modernere Drehstromlok überflügelt ihre 6-achsigen Ost-Kollegen der Reihen 155 und 156 und kommt schon nahe an die 151 heran.
152 4 1.610 t erstaunlicherweise schafft die "größere Schwester" der 145 mit ihren 6.400 kW auch nicht mehr Grenzlast.
182/1016 4 1.600 t die Österreicher wollten es ja besser machen als die DB AG und haben ihre 6,4 MW Lok nicht von der Stange gekauft und sie vor allem optisch deutlich ansprechender gestaltet, von der Zugkraft ist sie aber nicht besser.
Noch hält sich die 151 an der Spitze. Wie sieht es denn mit den 6-achsigen Dieselkraftpaketen aus. Auch hier gibt es einige immer wieder genannte Kadidaten, die ich für euch rausgesucht habe.
241 6 1.950 t schau mal einer an, Diesel schlägt die E-Lok-Giganten vergangener Tage
Class 66 6 2.120 t robuste Ami-Technik schlägt aufgemotzten Russen (puh, hoffentlich bin ich da noch politisch ausreichend korrekt)
Maximal 40 6 2.170 t was so ne moderne dieselhydraulische Lok doch so alles leisten kann
Class 77 6 2.170 t was man an der Class 66 wohl noch gefunden hat, um noch 50 t mehr rauszuholen?
Blue Tiger 6 2.310 t ordentlich Kraft für einen Tiger :-)
Damit haben wir einen neuen Spitzenreiter! Blue Tiger, wer hätte das gedacht. Geht noch mehr? Vielleicht moderne 4-Achser der allerneusten Generation?
187 4 1.780 t Hm, für die E-Lok-6-achser ereicht es, aber an die Dieselgiganten kommt man nicht ran.
193 (Vectron) 4 1.780 t Viellicht das Limit für 4-achsige Loks?
Schauen wir nun noch, ob vielleicht eine modernere 6-chsige E-Lok noch was reißen kann?
Als erste Vertreterin 6-achsiger Loks der DB AG Zeit schicke ich dann mal die für die Landverbindung nach Schweden konzipierte EG 3100, die als 6-achsige Lok auf der Technik der 152 basiert, ins Rennen:
EG 3100 6 2.130 t schon überraschend, dass ne E-Lok, die etwa zur gleichen Zeit, wie der Blue Tiger entwickelt und gebaut wurde, hier nicht vorbei kommt!
Letzte Hoffnung. Stadler Euro Dual!
159 6 2.820 t damit pulverisiert diese moderne Spanierin alle bislang erreichten Werte und geht als klare Siegerin aus dem kleinen Vergleich hervor. :-) - (Übrigens auch im V-Betrieb wird der gleiche Wert angegeben)
Auch noch interessant:
248 (E/VMod) 4 1.680 t beachtlich, für diese Universallok neuster Generation mit Dual Mode (E- und V-Betreib) Funktion
249 (E-Mod) 4 1.670 t im E-Betrieb noch mit der 248 vergleichbar, aber....
249 (D-Mod) 4 860 t im Dieselbetrieb nicht wirklich streckentauglich würde ich sagen.
218 (LG) 4 990 t der Uraltbundesbahndiesel hat da noch mehr auf der Pfanne :-)
203 4 860 t die modernisierte Ost-V100 spielt da in der gleichen Liga, wie das neue Wunderding von Frau Nikutta
103 6 1.140 t eben nicht für Güterverkehr konzipiert.
233 6 1.210 t etwas enttäuschend, oder?
245 4 1.610 t what? Aber für den Syltshuttle muss doch immer wieder die 218 einspringen :-)
DE 18 4 1.600 t das dürfte wohl die Spitze bei den Mittelführerhausloks sein!
DE 2700 6 2.140 t solide, der Norwegenreimport oder?
ER 20 4 1.250 t
G2000 4 1.510 t
Gravita 15 4 1.170 t
So, das soll es erst mal gewesen sein. Bei manchen Werten hatte ich das Gefühl, dass die DB eher gewürfelt als ermittelt hat. Grau ist sicher alle Theorie. Ob die oft genannte 150 hier wirklich eine Rolle hätte spielen können, glaube ich eher nicht, denn es sieht schon so aus, als ob die moderne Regeltechnik in der Lage zu sein scheint, die Grenzen der Physik besser auszuloten, als die robuste Mechanik vergangener Tage. Ob eine 4-achsige Lok, wie der Vectron dann aber wirklich der 150 deutlich überlegen sein würde, da hege ich auch gewisse Zweifel. Aber gegen eine 6-achsige Lok der neusten Generation, die der EuroDual hätte sie wohl eher keine Chance.
Und damit alle noch ein schones Restwochenende, wünscht
Thomas (WiTo)