Zitat von intermodal im Beitrag #1
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Ebenso würde mich interessieren, wie viel Kalk und Gips in Relation zu der Menge der angelieferten Kohle benötigt bzw. erzeugt wird.
Liebe Grüße
Paul
Hallo Paul,
Zur Logistik kann ich nicht viel beitragen, aber bei den Mengenverhältnissen kann ich Dir eine grobe Abschätzung liefern.
Entscheidend ist der Schwefelgehalt der Kohle.
Diese Quelle spricht von 0,6 - 1,0 % S-Gehalt, aber das kommt mir schon sehr niedrig vor. Ich würde im Schnitt eher Richtung 2% annehmen (es ist aber auch schon etwa 20 Jahre her, dass ich mich mit den Schwefelbilanzen von Kohlekraftwerken auseinandergesetzt habe). Da Du aber vermutlich nicht die entsprechenden Flüsse ganz exakt abbilden willst, sondern nur die Größenordnungen, ist ein Faktor 2 aber auch nicht ganz so entscheidend.
Rechnen wir einmal mit einem Schwefelgehalt von 1%. D.h., jede Tonne Kohle enthält 10 kg Schwefel, von denen man normalerweise annimmt, dass 95% in Schwefeldioxid umgewandelt werden. Davon werden dann in einer modernen Entschwefelungsanlage bis über 95% ausgewaschen. Also Größenordnung 9 kg pro Tonne Kohle.
M.W. kommt in Rauchgaswäschern sowohl Kalk (Branntkalk, CaO, Molgewicht 56) als auch Kalkstein (CaCO3, Molgewicht 100) zum Einsatz. Da das Molgewicht von Schwefel 64 beträgt und man für ein Mol Schwefel ein Mol Calcium benötigt, ergibt das rein theoretisch einen Einsatz von knapp 8 kg Kalk oder stark 14 kg Kalkstein. Theoretisch deswegen, weil man vermutlich deutlich mehr Calcium einbläst, um die hohe Entschwefelungsleistung zu garantieren (überstöchiometrischer Verbrauch). Ich würde da einmal 50% Zuschlag ansetzen, also müssen 12 kg Kalk oder 21 kg Kalkstein pro Tonne Kohle (bei 1% Schwefelgehalt) herangeschafft werden.
Genau gleich berechnet man die Gipsproduktion: Das Molgewicht von Gips (CaSO4.2H2O) beträgt 220, also werden pro kg aus dem Rauchgas entfernten Schwefel stark 3,4 kg reiner Gips produziert. Wenn man dann noch Verunreinigungen und die Restfeuchte von ca. 10% berücksichtigt (Quelle wie oben), kommt man auf etwa 3,9 kg Gips pro kg Schwefel (und entsprechend etwa 35 kg Gips pro Tonne Kohle).
Übrigens: Diese Betrachtungen gelten für Steinkohle. Braunkohle hat häufiger einen höheren Schwefelgehalt, andernfalls rechnet man damit, dass typischerweise etwa 30% davon in der Asche eingebunden werden, also nicht in Schwefeldioxid umgewandelt werden. Ob in Deutschland Braunkohlekraftwerke ihren Brennstoff über das öffentliche Bahnnetz erhalten oder ausschließlich direkt aus dem Tagebau (Werksbahn, ggf. noch Förderband), weiß ich jetzt nicht, würde aber eher Letzteres vermuten.
Zwischenergebnis:
Pro 1000 t (Stein-)Kohle braucht man (bei 1% Schwefelgehalt) grob überschlagen 12 t Kalk oder 21 t Kalkstein, und es werden 35 t REA-Gips produziert. Je nach verwendeter Technologie, Wirkungsgrad der REA, Aschegehalt und -zusammensetzung der Kohle etc. kann sich das etwas verschieben, aber das ist hier relativ uninteressant. Der wirklich wichtige Faktor ist der Schwefelgehalt - wenn der auf 2% steigt, verdoppeln sich auch der Bedarf an Kalk(stein) und die Produktion von Gips.
Und was heißt das für den Modellbahnbetrieb?
Wenn man jetzt einmal die Ladegewichte von typischen Selbstentladewagen und zweiachsigen Silowagen hinzuzieht, ergibt sich in dem Beispiel, dass auf jeden Silowagen, der mit REA-Gips rausgeht, etwa 64 Selbstentladewagen mit Kohle angeliefert werden müssen (bzw. 32 bei 2% Schwefelgehalt). Und der Bedarf an Kalk(stein) ist noch niedriger... Ich habe einmal grob überschlagen, dass ein mittlerer Kohlekraftwerksblock mit 600 MW elektrischer Leistung unter Volllast etwa 80 Vierachser Kohle pro Tag benötigt (und entsprechend Gips für Größenordnung ein bis zwei Ucs 908 produziert). Wie schon gesagt, weiß ich nicht, wie die Logistik organisiert wird, aber ich würde vermuten, dass sowohl Kalk als auch Gips in solchen Mengen auf dem Kraftwerksgelände gelagert werden können, dass diese Stoffe in Ganzzügen an- bzw. abtransportiert werden können. Wer also unbedingt entsprechende Züge rangieren möchte, kann seine Modellbahnzeit auf die entsprechenden realen Zeiten legen
Ich hoffe, das hilft etwas weiter.
Gruß,
Alex