Kalk und REA-Gips – Lagerung und Transport

#1 von intermodal , 03.02.2022 19:58

Hallo

ich bin zurzeit etwas ratlos bzgl. des Transportes und der Verladung der oben genannten Stoffe.
Immer wieder werden Kalkwagen als Selbstentladewagen mit Klappdeckel angeboten. Gleichzeitig finde ich bei Silowagen, die per Druckluft be- und entladen werden, die Info, dass diese zum Transport staubförmiger Güter wie Zement, Kalk, Gips genutzt werden. Die Bahn wiederum zeigt Bilder vom Transport von REA-Gips in Selbstentladewagen.
Ich möchte ein Kraftwerk bauen, hier soll nicht nur die Kohle per Bahn kommen, sondern auch der für die Abgasreinigung nötige Kalk, ebenso sollen der anfallende REA-Gips per Bahn abtransportiert werden.

In diesem Ausschnitt auf Google maps Kesselhaus Reuter kann ich einen blaugrünen Silo erkennen, unter dem die Bahn durchführt, und eine blaugrüe Halle, die beide mit dem Kesselhaus verbunden sind. Ich vermute, der Silo enthält den Kalk und die Halle einen Bunker für den Gips?
Das spräche für mich für einen Transport des Gips mit Selbstentladewagen und des Kalks mit Silowagen.
Weiß da jemand mehr?

Ebenso würde mich interessieren, wie viel Kalk und Gips in Relation zu der Menge der angelieferten Kohle benötigt bzw. erzeugt wird.

Liebe Grüße
Paul


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Paul


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RE: Kalk und REA-Gips – Lagerung und Transport

#2 von rmayergfx , 03.02.2022 20:29

Hallo Paul,

zu den Wagen für REA-Gips schau dir mal diesen Artikel an: Güterwagen Talns 970 und suche nach dem speziellen Güterwagen.

mfg
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RE: Kalk und REA-Gips – Lagerung und Transport

#3 von Alex R , 06.02.2022 19:42

Zitat von intermodal im Beitrag #1

[...]
Ebenso würde mich interessieren, wie viel Kalk und Gips in Relation zu der Menge der angelieferten Kohle benötigt bzw. erzeugt wird.

Liebe Grüße
Paul



Hallo Paul,

Zur Logistik kann ich nicht viel beitragen, aber bei den Mengenverhältnissen kann ich Dir eine grobe Abschätzung liefern.

Entscheidend ist der Schwefelgehalt der Kohle. Diese Quelle spricht von 0,6 - 1,0 % S-Gehalt, aber das kommt mir schon sehr niedrig vor. Ich würde im Schnitt eher Richtung 2% annehmen (es ist aber auch schon etwa 20 Jahre her, dass ich mich mit den Schwefelbilanzen von Kohlekraftwerken auseinandergesetzt habe). Da Du aber vermutlich nicht die entsprechenden Flüsse ganz exakt abbilden willst, sondern nur die Größenordnungen, ist ein Faktor 2 aber auch nicht ganz so entscheidend.

Rechnen wir einmal mit einem Schwefelgehalt von 1%. D.h., jede Tonne Kohle enthält 10 kg Schwefel, von denen man normalerweise annimmt, dass 95% in Schwefeldioxid umgewandelt werden. Davon werden dann in einer modernen Entschwefelungsanlage bis über 95% ausgewaschen. Also Größenordnung 9 kg pro Tonne Kohle.
M.W. kommt in Rauchgaswäschern sowohl Kalk (Branntkalk, CaO, Molgewicht 56) als auch Kalkstein (CaCO3, Molgewicht 100) zum Einsatz. Da das Molgewicht von Schwefel 64 beträgt und man für ein Mol Schwefel ein Mol Calcium benötigt, ergibt das rein theoretisch einen Einsatz von knapp 8 kg Kalk oder stark 14 kg Kalkstein. Theoretisch deswegen, weil man vermutlich deutlich mehr Calcium einbläst, um die hohe Entschwefelungsleistung zu garantieren (überstöchiometrischer Verbrauch). Ich würde da einmal 50% Zuschlag ansetzen, also müssen 12 kg Kalk oder 21 kg Kalkstein pro Tonne Kohle (bei 1% Schwefelgehalt) herangeschafft werden.
Genau gleich berechnet man die Gipsproduktion: Das Molgewicht von Gips (CaSO4.2H2O) beträgt 220, also werden pro kg aus dem Rauchgas entfernten Schwefel stark 3,4 kg reiner Gips produziert. Wenn man dann noch Verunreinigungen und die Restfeuchte von ca. 10% berücksichtigt (Quelle wie oben), kommt man auf etwa 3,9 kg Gips pro kg Schwefel (und entsprechend etwa 35 kg Gips pro Tonne Kohle).

Übrigens: Diese Betrachtungen gelten für Steinkohle. Braunkohle hat häufiger einen höheren Schwefelgehalt, andernfalls rechnet man damit, dass typischerweise etwa 30% davon in der Asche eingebunden werden, also nicht in Schwefeldioxid umgewandelt werden. Ob in Deutschland Braunkohlekraftwerke ihren Brennstoff über das öffentliche Bahnnetz erhalten oder ausschließlich direkt aus dem Tagebau (Werksbahn, ggf. noch Förderband), weiß ich jetzt nicht, würde aber eher Letzteres vermuten.

Zwischenergebnis:
Pro 1000 t (Stein-)Kohle braucht man (bei 1% Schwefelgehalt) grob überschlagen 12 t Kalk oder 21 t Kalkstein, und es werden 35 t REA-Gips produziert. Je nach verwendeter Technologie, Wirkungsgrad der REA, Aschegehalt und -zusammensetzung der Kohle etc. kann sich das etwas verschieben, aber das ist hier relativ uninteressant. Der wirklich wichtige Faktor ist der Schwefelgehalt - wenn der auf 2% steigt, verdoppeln sich auch der Bedarf an Kalk(stein) und die Produktion von Gips.

Und was heißt das für den Modellbahnbetrieb?
Wenn man jetzt einmal die Ladegewichte von typischen Selbstentladewagen und zweiachsigen Silowagen hinzuzieht, ergibt sich in dem Beispiel, dass auf jeden Silowagen, der mit REA-Gips rausgeht, etwa 64 Selbstentladewagen mit Kohle angeliefert werden müssen (bzw. 32 bei 2% Schwefelgehalt). Und der Bedarf an Kalk(stein) ist noch niedriger... Ich habe einmal grob überschlagen, dass ein mittlerer Kohlekraftwerksblock mit 600 MW elektrischer Leistung unter Volllast etwa 80 Vierachser Kohle pro Tag benötigt (und entsprechend Gips für Größenordnung ein bis zwei Ucs 908 produziert). Wie schon gesagt, weiß ich nicht, wie die Logistik organisiert wird, aber ich würde vermuten, dass sowohl Kalk als auch Gips in solchen Mengen auf dem Kraftwerksgelände gelagert werden können, dass diese Stoffe in Ganzzügen an- bzw. abtransportiert werden können. Wer also unbedingt entsprechende Züge rangieren möchte, kann seine Modellbahnzeit auf die entsprechenden realen Zeiten legen

Ich hoffe, das hilft etwas weiter.

Gruß,
Alex


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RE: Kalk und REA-Gips – Lagerung und Transport

#4 von intermodal , 08.02.2022 02:54

Hallo,

Zitat von rmayergfx im Beitrag #2

zu den Wagen für REA-Gips schau dir mal diesen Artikel an: Güterwagen Talns 970 und suche nach dem speziellen Güterwagen.


Danke dir, das hilft mir weiter. Die speziellen Wagen sind zwar zu neu für mich, aber dann sind wohl Selbstentladewagen mit Schwenkdach ok.
Ich habe herausgefunden, dass Kalk entweder als Steinmehl in Silowagen oder in gröberer Form auch in Selbstentladewagen mit Deckel kommen kann. Der Abwechslung halber werde ich den Silowagen wählen. Für den REA-Gips habe ich mir die Schwenkdachwagen aus den Roco-Neuheiten vorbestellt.

Zitat von Alex R im Beitrag #3


Zwischenergebnis:
Pro 1000 t (Stein-)Kohle braucht man (bei 1% Schwefelgehalt) grob überschlagen 12 t Kalk oder 21 t Kalkstein, und es werden 35 t REA-Gips produziert. Je nach verwendeter Technologie, Wirkungsgrad der REA, Aschegehalt und -zusammensetzung der Kohle etc. kann sich das etwas verschieben, aber das ist hier relativ uninteressant. Der wirklich wichtige Faktor ist der Schwefelgehalt - wenn der auf 2% steigt, verdoppeln sich auch der Bedarf an Kalk(stein) und die Produktion von Gips.

Und was heißt das für den Modellbahnbetrieb?
Wenn man jetzt einmal die Ladegewichte von typischen Selbstentladewagen und zweiachsigen Silowagen hinzuzieht, ergibt sich in dem Beispiel, dass auf jeden Silowagen, der mit REA-Gips rausgeht, etwa 64 Selbstentladewagen mit Kohle angeliefert werden müssen (bzw. 32 bei 2% Schwefelgehalt). Und der Bedarf an Kalk(stein) ist noch niedriger... Ich habe einmal grob überschlagen, dass ein mittlerer Kohlekraftwerksblock mit 600 MW elektrischer Leistung unter Volllast etwa 80 Vierachser Kohle pro Tag benötigt (und entsprechend Gips für Größenordnung ein bis zwei Ucs 908 produziert). Wie schon gesagt, weiß ich nicht, wie die Logistik organisiert wird, aber ich würde vermuten, dass sowohl Kalk als auch Gips in solchen Mengen auf dem Kraftwerksgelände gelagert werden können, dass diese Stoffe in Ganzzügen an- bzw. abtransportiert werden können. Wer also unbedingt entsprechende Züge rangieren möchte, kann seine Modellbahnzeit auf die entsprechenden realen Zeiten legen

Ich hoffe, das hilft etwas weiter.

Gruß,
Alex



Danke für die umfangreiche Antwort und für den Rechenaufwand!
Das hilft mir deutlich weiter. Ich habe eingeplant, einen Anlagenschenkel für Kohlehalde, Entladung und die Übergabegleise zu nutzen, wobei ich ein wenig trickse und die Bahn bei der Kohleanlieferung durch ein Binnenschiff unterstütze. Dementsprechend kann ich dann dank deiner Antwort abwechseln zwischen häufiger Kohleanlieferung, mittelmäßig häufiger Ölanlieferung für eine Gasturbine auf dem Kraftwerksgelände und weniger häufiger Anlieferung von Kalk und Abholung von Gips. Dann komme ich auch mit der Anzahl der Übergabegleise gut hin, wenn der Kalk und Gips nicht so häufig benötigt wird.


Freundliche Grüße
Paul


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RE: Kalk und REA-Gips – Lagerung und Transport

#5 von ThomasR , 08.02.2022 08:31

Kraftwerke an einem schiffbaren Wasserlauf erhalten normal ca. ⅔ der benötigten Kohle per Binnenschiff und ⅓ per Bahn. 100% Schiff wäre billiger, aber zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur wird ein Teil per Bahn gefahren.


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RE: Kalk und REA-Gips – Lagerung und Transport

#6 von Einheitslok , 08.02.2022 19:56

Zitat von intermodal im Beitrag #4
Hallo,

Danke dir, das hilft mir weiter. Die speziellen Wagen sind zwar zu neu für mich, aber dann sind wohl Selbstentladewagen mit Schwenkdach ok.
Ich habe herausgefunden, dass Kalk entweder als Steinmehl in Silowagen oder in gröberer Form auch in Selbstentladewagen mit Deckel kommen kann. Der Abwechslung halber werde ich den Silowagen wählen. Für den REA-Gips habe ich mir die Schwenkdachwagen aus den Roco-Neuheiten vorbestellt.




Hallo,

hier ein Tals 966, der für Transporte von REA Gips genutzt wurde:
Bild entfernt (keine Rechte)
Im Spätsommer 2012 wartete eine ganze Leine Tals 966 mit abgelaufenen Revisionsfristen in Offenburg Gbf auf ihr weiteres Schicksal. Der 82 80 0667 000-8 trägt einen Aufkleber, der auf REA Gips-Verkehre der Lausitzer Braunkohle-AG (Laubag) hinweist.

Einen Tals 966 gibt es m.W. nicht als H0-Modell, das Roco-Modell der Tal 963 ist jedoch sehr ähnlich (allerdings etwas kürzer).

Gruß
Yannick


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RE: Kalk und REA-Gips – Lagerung und Transport

#7 von JoWild , 08.02.2022 20:26

Zitat von ThomasR im Beitrag #5
Kraftwerke an einem schiffbaren Wasserlauf erhalten normal ca. ⅔ der benötigten Kohle per Binnenschiff und ⅓ per Bahn. 100% Schiff wäre billiger, aber zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur wird ein Teil per Bahn gefahren.

Hallo Thomas
Vor allem braucht man bei länger zugefrorenen Wasserwegen eine weteres Transportstandbein, das man dann auch in der Leistung hochfahren kann.


Und zum Schwefelgehalt: Kohlen haben zwischen 0,2 % und 3% Schwefelgehalt. Das schwankt nach Abbaustätte und eben Alter der Kohle. Die heute eingesetzten Kohlen liegen zumeist in der unteren Hälfte der Spannweite.


Ich wünsche allen Freude an ihrer Modellbahn
Joachim


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zuletzt bearbeitet 08.02.2022 | Top

RE: Kalk und REA-Gips – Lagerung und Transport

#8 von novesia , 08.02.2022 21:18

Hallo,
im Bergischen Land wird bei Wülfrath Kalk abgebaut und per Bahn durch das Angertal ins Ruhrgebiet und ins Rheinische Braunkohle Revier transportiert.
Bilder zu den Zügen findest du bei Tante google mit dem Suchbegriff: "Kalkzug Angertal".

Es grüßt
Hans


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RE: Kalk und REA-Gips – Lagerung und Transport

#9 von ET 65 , 09.02.2022 20:39

Zitat von novesia im Beitrag #8
... im Bergischen Land wird bei Wülfrath Kalk abgebaut und per Bahn durch das Angertal ins Ruhrgebiet und ins Rheinische Braunkohle Revier transportiert.
Bilder zu den Zügen findest du bei Tante google mit dem Suchbegriff: "Kalkzug Angertal". ...
Hallo Hans,

oder auch hier aus dem Werk Flandersbach.

Gruß, Heinz


Tried to reduce to the max Ich weiß, nicht immer einfach, aber einfach kann ja jeder.
Was noch fehlt? "Ein Sack voll Zeit"


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