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Der Fluch der Akribik, Teil 395
DIE POLNISCHE
„Hihi”, kicherte die Mitzi, „a Polnische. Da Toni weat glabm, dos is a Wuascht!“ [Hihi, eine Polnische. Der Toni wird glauben, es handle sich um eine Wurst!]
Die „Wiener Wurst” wird nämlich in Österreich oft auch als ▸ „Polnische“ bezeichnet. Heute geht es aber nicht um eine österreichische Wurstspezialität, sondern um eine polnische Lokomotive in Österreich.
919.165 am 25.03.1953 in Wien Süd, Foto: Harald Navé, Sammlung Mag. Luft. Veröffentlichung mit freundlicher Erlaubnis von Mag. Alfred Luft.
Die österreichische Westbahn (Wien-Salzburg) war in den 40er-Jahren noch nicht für die in Deutschland auf Hauptstrecken üblichen höheren Achsdrücke ausgebaut. Die Reichsbahn experimentierte daher auf dieser Strecke mit der Baureihe 03, welche zwar den Anforderungen hinsichtlich des Achsdruckes entsprach, auf den langen Steigungen der Westbahn aber nicht die erforderliche Zugkraft zu entwickeln vermochte. So entschied man sich für die polnische Pt31, welche damals bei der Reichsbahn als Baureihe 19.1 eingereiht war.
Von der Pt31 wurden ab 1932 insgesamt knapp hundert Stück gebaut. Hiervon wurden 12 Stück 1940 an die Reichsbahn verkauft. Die Maschine erwies sich als außerordentlich gelungen, sodass die Reichsbahn bald über 50 weitere dieser Maschinen übernahm. Diesmal ohne Bezahlung.
Die nationalsozialistische Propaganda soll mit den vorzüglichen Leistungen dieser Maschine ihre liebe Not gehabt haben, denn dass sich polnischer Lokomotivbau unter den spezifischen Bedingungen der österreichischen Westbahn deutscher Technik überlegen erwies, war eine damals nicht wirklich zur allgemeinen Verbreitung geeignete Tatsache.
Bei Kriegsende sollen 22 Maschinen dieser Baureihe in Österreich verblieben sein, die überwiegend wieder nach Polen zurückgegeben werden mussten. Drei Stück der bei Kriegsende in Österreich vorhandenen Maschinen aber stammten aus der ersten, von der Reichsbahn bezahlten Tranche und wurden daher von den PKP nicht zurückgefordert. Diese drei Maschinen wurden bei den ÖBB als 919.158, 919.165 und 919.166 bezeichnet. Bis zur endgültigen Elektrifizierung der Westbahn im Jahr 1952 beförderten sie gemeinsam mit der Reihe 12 schwere Schnellzüge auf dieser Strecke. Danach kamen sie auf die Strecke Wien-Villach und passierten somit auch „meinen“ Taggenbrunn-Viadukt.
Die Maschinen fuhren mit unterschiedlichen Tendern. Vielleicht, weil bei Kriegsende weniger einsatzfähige polnische Originaltender übriggeblieben waren als Lokomotiven, sodass man sich um andere Tender umsehen musste und den Tender der Baureihe 50 als geeignet fand? 919.158 hatte schon in den 40er Jahren einen Tender 2'2'T26, mindestens ab April 1953 aber wieder den Originaltender. Im August 1955 – spätestens ab 24.08.1955 – war sie neuerlich mit einem Tender 2'2'T26 gekuppelt. Die ältesten mir bekannten Fotos der 919.165 stammen aus 1953. Sie hatte damals bereits einen Tender 2'2'T26, den sie bis zuletzt behielt. 919.166 ist in meiner Fotosammlung ab 1952 dokumentiert und hatte da ebenfalls schon einen Tender 2'2'T26, mit dem sie bis zuletzt fuhr.
919.165 am 18.07.1955 am Semmering, Foto: Karl Wyrsch, Sammlung Mag. Luft. Veröffentlichung mit freundlicher Erlaubnis von Mag. Alfred Luft.
Da meine „Epoche“ der 28. August 1955 ist, musste meine 919.165 von Brawa folgerichtig unbedingt einen „50er-Tender“ bekommen. Und der will im Modell zunächst der Höhe nach nicht richtig zur Lok passen.
Mehr darüber am nächsten Freitag. Und zwar auch dann, wenn der nächste Freitag, so wie heute, auf einen Samstag fällt.
Euer Karl
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