Ein Dampflokführer wird in den Ruhestand verabschiedet

#1 von 118Fan , 10.11.2023 02:44


Hallo zusammen,

am 31.05.1997 war es, als mein damaliger Freund Reiner G. in den aktuven Ruhestand versetzt wurde.
Reiner war dahingehend etwas besonderes, dass er nie aufgehört hat, Dampfloks zu fahren, das heißt, seine einst lange vor dem Binnewies'schen Dampflokverbot erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten, die man alle zum Dampflokfahren benötigt, auch nach dem genannten Verbot bis eben hin zu seiner Rente aktiv anwenden zu können.
Während des Verbotes vom 26.10.1977 bis zu den Nürnberger Paraden 1985 (erst ab 1987 durften Dampfloks in Deutschland wieder nahezu überall hinfahren), fuhr er einfach auf den Loks der EFZ auf der Hzl, die er ja quasi vor seiner Haustüre hatte und hielt so seine Kenntnisse stets frisch.
Nachdem 31.05.1997 ist er nicht mehr oft selbst am Regler gestanden, meist hat er Lotse gemacht, aber er scheute wegen seiner altersbedingten Zipperlein, die ihm mehr und mehr Ungemach bereiteten, vor allem sehr offene Loks wegen der Zugluft.
Heute will ich von diesem 31.05.1997 berichten, wo ich sogar als sein Ehrengast mit im am N 6317 angehängten Speisewagen mitfahren durfte, was ich auf der Steigung ab Albstadt-Laufen Bf auch zu Tonaufnahmen nutzte!
Ja richtig gelesen, es war für Reiners Abschied vorgesehen, den N 6317 nochmals mit einer Dampflok, der 01 519, zu bespannen.
Der N 6317 war ein samstags unpaariger Zug und so ergab sich für die DB und die EFZ ein Kompensationsgeschäft, denn wenn die EFZ den Zug bespannten, sparte die DB die Leerfahrt der 215 von Sigmaringen zurück nach Tübingen. Dafür wurde den EFZ die Trassennutzungsgebühr erlassen, tolle Sache. Vor diesem 31.05.1997 geschah dies so 3-5 Mal und einmal war ich dabei, damals machte das die 52 7596 mit leider nur einem Silberling.
Am 31.05.97 hatten wir drei plus den Reko-Speisewagen, das gab nett Last auf der 25 %o Rampe von Albstadt-Laufen Bf bis zur Wasserscheide auf 750 m Seehöhe vor Albstadt-Ebingen.
Wenn Reiner glaubte, er könne im Speisewagen eine Ruhige Kugel schieben, so hatte er sich geirrt!!
Es war angedacht, dass er seinen Abschiedszug nochmals selbst fahren musste, nur - er wußte (noch) nichts davon - es wurde eine Überraschung, die dann in Hechingen auf ihn wartete.
Doch nun zu den Bildern.
Ich war schon früh da und fotografierte in Mössingen mit den Formsignalen.
Leider sind die original Aufschriebe nicht mehr da, so dass ich ggf, die Chronologie durcheinander bringe und auch nicht alle Zugnummern habe, vor allem, von Nicht-DB-Fahrzeugen.

Los geht's:




01+02.) Zunächst bringt die 215 074 die RB 6318 von Sigmaringen nach Tübingen, fotografiert bei den Ausfahrsignalen Richtung Sigmaringen. Da es auf dem Schild nicht lesbar ist, hier der Wortlaut: "Letzter lokbespannter Zug auf der Zollernbahn".





03.) Hier verlässt soeben 628 346 als RE 3480 Mössingen Richtung Tübingen. Was man hier links vom Ausfahrsignal sieht, ist kein echter Berg, sondern der sogenannten Albtrauf, die Albkante, auf ihr ist dann die Albhochfläche.




04.) An diesem Tag war dann auch noch die 50 245 mit einem Dampfsonderzug unterwegs, den wir noch mehrfach bekommen werden. Hier ebenfalls, leider tv, bei der Ausfahrt aus Mössingen Richtung Hechingen mit RB 19050.




05.) Bedauerlicherweise habe ich mir für die Gegenleistung des 628 346 keine Zugnummer in mein Büchlein notiert, da kann ich nur raten: RE 3481? Vielleicht?. Damit bin ich wohl nach Hechingen gefahren, denn....






06+07.)Leider ist hier die Zugnummer verwischt in meinem Büchlein und der Originalaufschrieb fehlt. Jedenfalls zeigt es die 50 245 diesmal rv irgendwo bei Hechingen, wahrscheinlich davor, mit der Burg Hohenzollern am rechten Bildrand.




08.) Möglicherweise bin ich mit ihnen, VT 206 und 202, wieder von Hechingen nach Mössingen gefahren und habe die Garnitur zugnummernlos fotografiert.




09.) Alsbald kehrten sie zurück und ich konnte sie bestehend aus VT 206, 207 und 218, im Nachschuss bei den Ausfahrtsignalen von Mössingen in Richtung Hechingen fotografieren.




10.) Dann kam die 215 074 auch wieder retour und fuhr als Lz 84082 nach Sigmaringen. Den 6317 musste sie ja heute nicht ziehen.




11.) Anscheinend war die 50 245 irgendwie von Hechingen Landesbahnhof nach Tübingen gelangt, denn erneut bekam ich sie am hohen Einfahrsignal Mössingen tv mit unbekanntem Zug.




12.) Tja und dann kam sie, festlich geschmückt und mit Speisewagen und drei Silberlingen (mindestens ein Mintling dabei) als R 6317 nach Sigmaringen. Ich stieg gleich in den Speisewagen und dort eröffnete mir Reiners Bruder wohl das eingangs geschilderte, nämlich, dass der Reiner am Hechingen nochmal an den Regler muss, von seinem Glück aber noch nix weiß. Wir saßen an einem Tisch gegenüber.








13.-15.) In Hechingen gab es erst mal großen Bahnhof, Fortan war der Fahrplan eher eine Richtlinie. Wenn ich mich noch recht erinnere, spielte die Blasmusik auf.
Bild 13 hat sehr viel Symbolcharakter: Der junge macht dem alten Hasen platz, weil er noch einmal an den Regler darf, der junge ist übrigens niemand geringeres als unser "Manni", einer der besten Dampflokführer Deutschlands.
Und auf Bild 15 strahlt der alte Meister noch einmal so richtig von seiner großen Schnelllzuglok herab. Die hat Reiner allerdings zu seinen Planzeiten, so weit ich weiß, nicht gefahren, wohl aber die P8!

Nun also ging es erst mal weiter, bis die großen Steigungen kamen, ich machte Tonaufnahmen, so gut es ging, zum nach innen geklappten Fenster des Rekospeisewagens ab Albstadt-Laufen.


16.) In Albstadt-Ebingen war für den N 6317, soweit ich mich erinnere, eh eine größere Pause und die wurde diesmal ausgiebig genutzt. Auch hier wieder großer Bahnhof mit Blasmusik.




17.) Noch oben auf der Lok, schaut sich Reiner das Treiben am Bahnsteig an.




18.) Nun steht Reiner rechts neben seiner Lok grüßt und schwatzt oder erklärt. Er kannte viele und viele kannten ihn.




19.) Der Zug einmal von der Gleisseite, wegen der Lampen schlecht umsetzbar.




20.) Reiner und sein Heizer Harald B. "durften" sich vor der Lok aufstellen. Auf dem Schild steht:
"Reiners letzter Zug im Plandienst".




21.) Au weia, das sieht irgendwie nach Notschlachtung aus. Ich nehme mal an, dass ich die 01 519 hier beim Umsetzen in Sigmaringen fotografiert habe. Danach ging es Lr mit allen Gästen im Speisewagen erst mal bis nach Hechingen. Dort auf dem alten Stellwerk war Kaffee und Kuchen angesagt.




22.) In Hechingen gab es dann noch eine Überraschung - es fand ein Lokwechsel statt - von Dampflok auf Dampflok!! Die 50 245 übernahm das Stück von Hechingen bis Tübingen.




23.) Ehe auch ich mich zu Kaffee und Kuchen begab, bat ich noch um eine dynamische Abfahrt der 50 245, die ich auch bekam - und eben dieses Bild dazu.
Ich bin übrigens sehr dankbar und froh um diese Bilder der 50 245 im Betrieb, heute steht sie ja, schon seit längerem, als "totes" Denkmal am Bahnhof Triberg.
Anfang 1999 bekam sie einen Schaden am Antriebszapfen, der es erforderlich gemacht hätte, die Treibachse per Achssenke auszubauen und den Antriebszapfen auszupressen. JTechnisch sahen sich die EFZ dazu nicht in der Lage und die Finanzierung per Fremdbergabe wohl auch nicht. Und so kam halt eines zum anderen......




24.) Die 01 519 wurde in Stellwerksnähe in einem Abstellgleis geparkt und durfte sich ausruhen. Ich nutzte dies für ein fast komplett seitliches Portrait, um mal die wahre Größe der Lok zu zeigen: 24 m und 13 cm ist sie, glaube ich, lang!




25.) Der Meister vorne, dahinter einige seiner Gäste.
Alles nun auf dem ehemaligen Stellwerk in Hechingen, das als Vereinsheim dient.




26.) Auch die Tochter des Meisters war mit von der Partie.




27.) Die Ehrentorte vom Reiner war leider schon zu einem guten Teil angeschnitten, so dass ich sie leider nicht mehr vollständig habe.




28.) Zwei alte Meister unter sich: Jawohl, denn der hintere Herr ist auch ein alter Dampflokführer, wie haben ihn schon auf 2-3 Bildern in Albstadt-Ebingen gesehen. Lothar heißt er, Nachnamen weiß ich nicht mal, aber unter seinem Spitznamen "Muff" dürfte er vielleicht einigen bekannt sein.

Tja, und das war es dann, Reiners Abschied vom aktiven Dienst.
Übrigens hat er sich stets erfolgreich gegen Dieselloks oder ~triebwagen gewehrt, sein Motto: "Entweder Pantograph oder Schornstein", hat er immer gesagt.

Hoffe, es hat gefallen.

VG

Stefan.


Ehemals überzeugter Analogfotograf, der diese Art der Fotografie schätzte und nun das digitale ebenso zu schätzen weiß.

Und für alle, die mir schlechte Motive vorwerfen: Für mich ist das Motiv die Lok bzw. der Zug

Grüße

Stefan


 
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RE: Ein Dampflokführer wird in den Ruhestand verabschiedet

#2 von Cknop , 10.11.2023 10:03

Wieder ein sehr netter Bericht.
Wie die Zeit vergeht!

Lg
Christian


118Fan hat sich bedankt!
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