Eine nette Idee, dieser Thread!
Meine erste Lok war eine kleine Märklin Tenderlok mit Achsfolge C, von denen beim Modell aber nur die hinterste Achse, nylonbereift, angetrieben wurde. Artikel-Nr. 3029, Baujahr 1960, aus einer Startpackung mit rotem Kipplorenwagen und Niederbordwagen. Von wenigstens entfernt realitätsnaher Gestängenachbildung konnte nicht die Rede sein; es gab nur eine einzige Stange, die den Anschein erwecken sollte, als wirke sie direkt aus dem Zylinder auf die Treibachse. Aber solche Details nimmt ein Kind mit 6 Jahren nicht wahr, da total unwichtig. Die Beladung des Zuges war der Hauptspielwert. Testen, was man da an schweren Sachen auf die Wagen packen konnte. Nebeneffekt: Wenn die Lok kräftig ackern musste, um ihre Runden zu drehen, sah man bei abgedunkeltem Raum zwischen den Rädern der Lok und den Schienen, aber auch zwischen ihrem Zughaken und der ersten Wagenkupplung elmsfeuerhaftes Funkensprühen. Da konnte ich mich gar nicht dran sattsehen.
Solches Funkenspektakel kommt natürlich bei der Digitaltechnik und den heutigen Modellen nicht mehr vor:
- Die Loks verfügen über eine effektivere Stromrückleitung über mehrere Achsen. Bei der 3029 trugen die "Nylons" so dick auf, dass die Treibachse kaum zur Masseverbindung taugte, die mittlere Achse auch nur wenig, weil sie von der auf den Nylons laufenden letzten Achse mit angehoben wurde - blieben also die erste Achse und der metallene Kupplungshaken.
- Die Kurzkupplungen im Normschacht aus Kunststoff können keine Masseströme mehr übertragen. (Es sei denn, man würde extra eine stromführende Kupplung für die Masserückleitung vorsehen.)
- Die Drehgestelle der Wagen sind generell aus Kunststoff und können Masseströme nur dann zu den Schienen leiten, wenn sie mit Massefedern direkt zu den Achswellen ausgestattet werden.
- Die früher bis zu den Schienen (und auf den Fernsehbildschirm des Nachbarn) rückwirkenden Gegeninduktionsspannungen durch die Kommutierung werden heute in der Lokelektronik (Decoder) weitgehend "abgefangen". Die Elektrische Eisenbahn fährt heute, elektrisch betrachtet, wesentlich sauberer.
- Die elektrische Leistungsaufnahme der modernen Motoren mit Permanentmagnet oder als Eisenlose (z. B. Typ Faulhaber) oder als Bürstenlose (z. B. früherer Softdrive Sinus) ist deutlich geringer als damals, weswegen schon mal gar nicht so viel Energie aufkäme, um sattes Funkengespratzel zu erzeugen.
Tja, früher war mehr Funken...
Trivia:
Ein Vierteljahrhundert später entdeckte ich tatsächlich das Vorbild dieser kleinen "Emma"-Lok als draußen, wenn auch überdacht abgestellte und vor sich hingammelnde ehem. Werkslok auf der Industriegebietsinsel Eiswerder in Berlin-Spandau (heute nicht mehr dort oder verschrottet).
Die Märklin-Lok existiert noch und ist fahrtüchtig, obwohl ihr das gelegentliche (nostalgiebedingte) Fahren heute deutlich schwerer von der Treibachse auf die Schienen geht als in ihren frühen, heftig bespielten Jahren. Auch neigt die Ankerwelle in ihren etwas ausgeschlagenen Lagern zu kreischenden Oszillationen, wenn der Ölfilm reißt. Die Nylons sind immer noch dran. Der Niederbordwagen wurde vor einigen Jahren entsorgt, da sich sein Plastikaufbau wie eine Banane krümmte (Weichmacherverlust, schleichender Kunststoffzerfall durch unaufhaltsame Polymerkettenverkürzung). Einzig der (vorbildlose) rote Kipplorenwagen trotzt dem Zahn der Zeit und wird manchmal als Anachronismus heimlich von mir in einen Güterzug geschmuggelt.
Rainer