Hallo Emilio,
du fragtest:
Zitat von emilio im Beitrag #23
Hallo, ich weiss ein bißchen off-topic. Aber die Lok hat mich wieder daran erinnert, was ich schon immer wissen wollte. Warum sind englische Loks so schön "glatt" , also ohne Leitungen, Pumpen usw im Vergleich zu deutschen Einheitslok?
Gruss emilio
Deine Frage ist von einigen Forumskollegen im Wesentlichen schon beantwortet worden, doch möchte ich dazu auch noch ein paar Anmerkungen als Liebhaber britischer Dampflokomotiven machen.
Wie schon geschrieben wurde, spielte die Ästhetik eine ganz herausragende Rolle beim Design der britischen Dampflokomotiven, wobei man ein klares, glattes Äußeres als schön empfand (dem kann ich nur zustimmen!!!). Wer sich einmal näher mit den Maschinen von der Insel beschäftigt hat, wird festgestellt haben, dass die Loks auch überwiegend farbig lackiert und sehr oft auch mit Linierungen verziert waren. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass es bis zur Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg nur private Bahngesellschaften gab (d.h. keine "Staatsbahnen" wie hierzulande). So hatte jede Bahngesellschaft seine spezifischen Farbschemata (z.B. die Great Western Railway (GWR) "brunswick green", die LMS "crimson", die LNER "applegreen", die Caledonian railway (CR) blau, usw...) und da einige Gesellschaften in dierektem Wettbewerb standen, war auch ein ansprechendes und gepflegtes Äußeres ein Aushängeschild für eine Bahngesellschaft.
So wollte man die Ästhetik störenden Leitungen, Hilfsaggregate (wie z.B. Pumpen) weitgehend unter der Kesselverkleidung verbergen. Ja, und man hielt auch sehr lange Zeit an Innenzylindern fest, wenn es nur zweizylindrige Maschinen waren. Außen liegende Zylinder fand man auch nicht schön, wobei Innentriebwerke natürlich von der Fahrzeugdynamik auch vorteilhafter sin: dadurch, dass die hin-und hergehenden Massen dichter zusammen liegen, ist bei Innenzylinderloks das Schlingern um die Hochachse im Allgemeinen geringer. Das war für die britischen Loks wichtig, denn britischen die Schnellzugloks fuhren den Schnellzugloks in Deutschland und in anderen kontinentaleuropäischen Schnellzugloks (mit Ausnahme der Französischen) davon! Selbst relativ kleine Maschinen, wie die zum Glück erhalten gebliebene "City of Truro" der GWR von 1904 waren schneller als eine 01 (sie soll bei einer Fahrt 100mph, d.h. rund 160km/h geschafft haben). Auch niedrige Umläufe mit Radkästen waren Standard (in Deutschland dagegen nur bei wenigen Loks, wie z.B. der "schönen Württembergerin").
Dass britische Dampflokomotiven relativ klein waren im Vergleich zu Maschinen auf dem Kontinent liegt daran, dass die ersten Eisenbahnen auf der Insel entstanden und man bei den Strecken und Eisenbahnbauten (Tunnel, Brücken usw.) sich an den Abmessungen der ersten, recht kleinen Loks, orientiert hatte. Somit hatte man für spätere Entwicklungen sich halt in ein enges Korsett zu zwängen. Deshalb wirkt, wenn man sie in gleichem Maßstab 1:87 betrachtet, der "Flying Scotsman" kleiner als eine deutsche 01, was er in Wirklichkeit ja auch ist. Der Leistungsfähigkeit tut das keinen Abbruch, die britischen Maschinen waren eher noch leistungsfähiger, weil man dort die Maschinen optimieren konnte, wohingegen bei der DR viele Entscheidungen über die Technik in Hinblick auf Vereinheitlichung und einfachere Wartbarkeit getroffen wurden. Wenn ich meine "Flying Scotsman" von Hornby (ja, die alte, noch "made in England") im Maßstab 00 (1:76) neben meine Märklin 01 stelle, dann wirken beide etwa gleich groß.
Nun noch ein paar Worte zu der Neuerscheinung von Märklin: Ich finde es sehr bemerkenswert und gut, dass Märklin diese berühmte Lok als Modell herausbringt, selbst wenn es (noch) keine passenden Wagen dazu gibt, das kann ja noch kommen. Ich finde, Dampfloks dürfen schön aussehen und müssen nicht immer schwarz und außen mit allen möglichen sachen "dekoriert" sein. Da können dann rote Räder auch nicht mehr viel an der Ästhetik retten.
Man kann natürlich trefflich darüber diskutieren, ob man die Lok nicht lieber in der LNER Ursprungsausführung in "applegreen" und ohne Windleitbleche oder als British Railways Ausführung mit Windleitblechen hätte herausbringen sollen. Ich finde, beide Varianten sind in Ordnung.
Viele Grüße
Klaus-Dieter
(persönliche Anmerkung: Ich fand lange Zeit die meisten deutschen Dampfloks ähnlich unansehnlich wie die meisten Amerikanischen. Erst über den "Umweg" der von mir geschätzten britischen Dampfloks habe ich auch die einheimischen "schwarzen Monster" auch liebgewonnen).