Liebe Foristi,
nachdem ich in den vergangenen Jahren in manchen Threads meinen Senf dazugegeben habe, richte ich nun meinen eigenen Anlagenthread ein und sage: in Lichterfelde West!
Das Empfangsgebäude des Bahnhofs Lichterfelde West in Berlin (Bild von 2006)
Ich habe eine Weile mit dem eigenen Thread gezögert, weil es hier im Forum schon so viel zu sehen gibt und bei mir nicht alles so vorzeigbar ist. Aber vielleicht findet der eine oder andere auch eine Anregung bei mir oder kann mir einen Tipp geben.
Aber erst ein Wort zu mir:
Mein Name ist Sebastian und ich bin bei Einrichtung dieses Threads 56 Jahre alt. In Bremen, wo ich aufgewachsen bin; haben mich meine Eltern früh mit der Eisenbahn bekanntgemacht (Bremen Hauptbahnhof, 1964):
Unter meiner roten Mütze schaue ich noch etwas unsicher - so ein rot-schwarzes Ungetüm ist ja auch beängstigend. Aber daß aus mir ein Modellbahner werden würde, war bald klar (Foto aus demselben Jahr):
Als Kind und Jugendlicher habe ich mich dann intensiv mit der Modellbahn beschäftigt. Nach der Übersiedlung nach Berlin hatte ich zwar keinen Platz mehr, jedoch hat mich das Thema Eisenbahn nie losgelassen. Ab Mitte / Ende der 80er Jahre entdeckte ich meine Leidenschaft für die Berliner Eisenbahnen. Dazu hat maßgeblich das Buch "Das große Berliner Eisenbahnalbum" von Alfred Gottwaldt beigetragen. Und so reifte der Wunsch, eine Modellbahn mit Berliner Thema zu bauen.
Nach einem Umzug stand mir dann ein kleiner Raum für die MoBa zur Verfügung, eine ehemalige Mädchen- und Speisekammer. Der Raum ist ca. 4,40m x 1,65m groß und hat zwei Türen und ein Fenster. Damit kann man schon etwas anfangen, aber was für eine Berliner Anlage sollte ich in dem kleinen Raum bauen können?
Anlagenthema
Ich entschied mich für eine Anlage in Anlehnung an den Bahnhof Lichterfelde West, in dessen Umgebung ich lange gewohnt hatte. Er liegt an der ältesten Eisenbahnstrecke Preußens, der Eisenbahn Berlin – Potsdam, auch "Stammbahn" genannt. Im Westen des damaligen Berliner Villenvorortes Groß-Lichterfelde wurde an der Bahn ein hübsches Empfangsgebäude in italienischem Villenstil errichtet. Später wurde ein zusätzliches Gleispaar für den Vorortverkehr angelegt, die sog. "Wannseebahn". Sie hat in Lichterfelde West einen Inselbahnsteig; dort halten die Züge des Vorortverkehrs, das waren zunächst dampflokbespannte Züge mit den berlintypischen Doppelabteilwagen und nach der Elektrifizierung die Züge der Berliner S-Bahn. Die Züge des Personenfernverkehrs hielten dann nicht mehr, sie fuhren nur noch durch. Das fand ich für meine Zwecke ideal, da ein halbwegs realistischer Bahnhof für den Personenfernverkehr bei meinen Platzverhältnissen nicht in Betracht kam. Zu erwähnen ist noch, daß auch die Gleise der Fernbahn in den 1930er Jahren elektrifiziert wurden; sog. "Bankierzüge" (Triebwagen der Berliner S-Bahn besonderer Bauart) fuhren ab Zehlendorf auf den Gleisen der Stammbahn ohne Halt in die Innenstadt. Endbahnhof in Berlin war der Potsdamer Bahnhof. Dieser wurde im zweiten Weltkrieg so schwer zerstört, daß der Betrieb nicht wieder aufgenommen wurde. Seitdem ist der Personenfernverkehr auf der Stammbahn eingestellt. Der S-Bahn - Betrieb auf der Wannseebahn blieb davon verschont, bis 1980 die DDR-Reichsbahn den Betrieb der S-Bahn im Westteil Berlins nach einem Streik fast vollständig einstellte. Er wurde auf der Wannseebahn durch die BVG (West) nach umfangreicher Modernisierung 1985 wieder aufgenommen. Zur Wiederaufnahme des Fernverkehrs auf der Stammbahn ist es bis heute nicht gekommen, obwohl dies ab und zu diskutiert wird.
Hier sieht man den Bahnsteig und die Gleisanlagen (alle Bilder von 1989); Blick stadteinwärts:
Eine S-Bahn Richtung Wannsee fährt ein:
Nicht zu vergessen: natürlich gab es in Lichterfelde West auch einen Güterbahnhof. Dieser diente den Amerikanern nach dem zweiten Weltkrieg als Militärbahnhof. Auf den Gütergleisen wurden auch Wagen der Bundespost entladen.
Blick vom amerikanischen Militärbahnsteig auf den Bahnsteig der S-Bahn (1989):
Von Lichterfelde West zweigt schließlich die Zehlendorfer Eisenbahn (auch "Goerzbahn"genannt) ab, eine Anschlußbahn, die auch heute noch in Betrieb ist.
Das war jetzt etwas viel zum Vorbild, aber ich konnte meine Begeisterung gerade nicht zügeln
Anlagenkonzept
Mir kam es darauf an, die wesentlichen Merkmale eines Berliner Vorortbahnhofes umzusetzen, also zwei Gleise für den Vorort- (S-Bahn-) verkehr mit Bahnsteig, zwei Gleise für den durchgehenden Fernverkehr und eine angedeutete Güterabfertigung. Für mehr reichte der Platz auch nicht. Weiter war mir wichtig, daß ich mit meiner inzwischen recht stattlichen Fahrzeugsammlung einen regen Fahrbetrieb machen kann. Daß die Gleise des Bahnhofes im Vorbild schnurgerade verlaufen, ist entgegen meiner anfänglichen Annahme keine Erleichterung gewesen. Schließlich sind Kurven im Modell unvermeidlich, wenn man nicht nur hin- und herfahren möchte. Und so mußte ich erhebliche Kompromisse bei der Gleisführung machen. Dabei herausgekommen ist eine Anlage mit zwei Ebenen, einer oberen Ebene und einem Schattenbahnhof. Die obere Ebene sieht so aus (schematischer Gleisplan, mit dem TC erstellt):
Die obere Ebene besteht im Grunde aus einer mehrgleisigen Kehrschleife, die in zwei Richtungen befahren werden kann. Ein aus dem Schattenbahnhof kommender Zug kann sie entweder im oder gegen den Uhrzeigersinn befahren, also entweder geradeaus und auf dem äußeren Gleis oder er biegt links Richtung Bahnhof ab. S-Bahnen und dampflokbespannte Vorortzüge befahren dabei die Gleise am Bahnsteig und halten dort, alle anderen Züge nutzen die Gleise der "Fernbahn" und fahren durch (soweit sie nicht betriebsbedingt anhalten müssen). Alle Züge gelangen schließlich zu ihrem Ausgangpunkt der oberen Ebene zurück und fahren wieder in den Schattenbahnhof. Im Bereich links oberhalb des Bahnhofes ist eine Stadtbebauung in Arbeit. Der Bereich rechts unterhalb sollte eine Villengegend werden; derzeit denke ich aber eher an ein Busdepot. Ein Teil der oberen Ebene ist nicht sichtbar, sondern verschwindet hinter einem Himmelhintergund. Im Gleisplan ist dieser Bereich abgedunkelt.
Der Schattenbahnhof sieht so aus:
Kommt ein Zug von der oberen Ebene, fährt er zunächst durch eine Rechtskurve in Richtung der nummerierten Gleise. Die Gleise 9, 3 und 11 sind als Durchfahrtsgleise immer frei; auf den Gleisen 1, 2, 4, 5, 6, 7, 8, 10, 12 und 13 können Züge abgestellt werden. Eine Besonderheit ist das Gleis 9a: ich hatte es angelegt, damit Züge nicht immer durch den ganzen Schattenbahnhof fahren müssen, sondern über diese Abkürzung gleich wieder auf die obere Ebene fahren können. Fahrzeuge, die man genauer beobachten will (z.B. neu erworbene) verschwinden dann nicht so lange aus dem Blickfeld, dachte ich. Davon habe ich jedoch nicht oft Gebrauch gemacht und deshalb werde ich auf dem Gleis demnächst meinen Gleisreinigungszug abstellen.
Hier ein paar Bilder aus früheren Bauphasen; zunächst zwei Übersichten:
Der Bahnsteig (dem immer noch das Dach fehlt ) entstand im Selbstbau mit Teilen von Woytnik:
Vom Empfangsgebäude habe ich bislang nur ein Kartonmodell, das ich als Bausatz vor vielen Jahren auf einem Bahnhofsfest in Lichterfelde West erworben hatte:
Mit ein paar Wagen kann das die Phantasie schon beflügeln
Hier sieht man, wie der nicht sichtbare Bereich der oberen Ebene mit einem Wolkenhintergund auf Sperrholzplatte abgetrent wird:
Gerade befährt ein PmG aus den 1930er Jahren die Gleise der Fernbahn Richtung Innenstadt (Zugzusammenstellung nach Vorbildfoto):
Steuerung
Ich fahre noch heute mit der "Steinzeitzentrale" 6021 von Märklin. Der Mischbetrieb aus Decodern von Märklin- und Viessmann arbeitet zuverlässig, die Rückmeldung erfolgt über aufgetrennte Gleisabschnitte. Ein reger Fahrbetrieb und der komplexe Schattenbahnhof machten eine automatisierte Steuerung unverzichtbar. Ich verwende eine ältere Version des Train Controlers von Freiwald und einen ausrangierten PC aus meinem Büro. Anfangs habe ich noch die Updates mitgemacht, aber dann stieß die Hardware an ihre Grenzen und seit mehr als zehn Jahren bleibt nun alles so, wie es ist. Die Funktionalität reicht mir und ein Umrüsten auf eine bessere Zentrale, ein besseres Programm und einen besseren PC würde mich zu viel Zeit kosten, die für andere Dinge fehlt.
Fahrzeuge - Fahrbetrieb
Das Thema Lichterfelde West bietet viel Abwechslung, (Fernbahn, Vorortverkehr, S-Bahn, Güterverkehr, US-Militärzüge, Postverkehr, Bedienung der Anschlußbahn). Daß das eine oder andere Stück meiner Fahrzeugsammlung nie in Lichterfelde West gefahren ist, stört mich trotzdem nicht. Im Wesentlichen beschäftige ich mich mit Fahrzeugen, die im Berliner Raum unterwegs sind oder waren. Ich habe Fahrzeuge aller gängigen Hersteller und verwende auch verschiedene Decoder. D-Zugwagen müssen bei mir maßstäblich lang sein; die Überhänge in engeren Radien nehme ich in Kauf. In den letzten Jahren habe ich ein besonderes Interesse für authentische Zugbildung entwickelt und lese gern in den Zugbildungsheften von Michael Meinhold und im Buch "Internationale Schnellzüge in der DDR" von Rico Bogula. Ich versuche dann, den einen oder anderen Zug mit Fahrzeugen aus meinem Fundus nachzubilden. Ein Beispiel dafür habe ich hier: viewtopic.php?f=35&t=121304&p=1346187&hilit=Hoek#p1346187 vorgestellt.
Ich finde Fahrzeuge aus fast allen Epochen schön und möchte mich nicht auf eine Epoche beschränken. Und so fahren bei mir preußische Dampfloks und auch E-Loks – ich habe sogar einen ICE. Die damit verbundenen Unstimmigkeiten (keine Oberleitung, z.B.) nehme ich in Kauf. Anfangs hatte ich mir noch vorgenommen, "epochenrein" zu fahren (wie das ein sich als "Durchgeknallter" bezeichnender Forumskollege macht – Hallo Ronald!), aber das halte ich nicht durch, so daß es auf der Anlage häufig sehr "bunt" zugeht. Das stört mich aber nicht wirklich – erlaubt ist, was (mir) gefällt!
Gestaltung und Aussicht auf Fertigstellung
Als ich mit dem Bau anfing, habe ich mehr oder weniger drauflos gebaut und einige Fehler gemacht. Manche habe ich korrigiert, mit anderen Fehlern (z.B. der fast 3% Steigung bei der Auffahrt aus dem Schattenbahnhof und manche Stellen der Gleisführung) habe ich mich abgefunden, weil die Korrektur unmöglich oder zu aufwendig wäre. Der Fahrbetrieb läuft ganz rund, aber den Aufwand für die Gestaltung der Landschaft habe ich unterschätzt. Seit meinem ersten MoBa-"Leben" habe ich vieles lernen müssen (und lernen können, Stummiforum sei Dank :D ), aber ich baue langsam und habe nicht viel Zeit. Obwohl ich mich schon einige Jahre mit der Anlage beschäftige (wie viele Jahre, verrate ich hier mal nicht), gibt es noch immer "Holzwüsten" und ist eine Fertigstellung nicht abzusehen. Das stört mich aber nur wenig, denn ich habe den Spaß an der Anlage nie verloren und das ist es doch, worauf es ankommt – oder?
Aber vielleicht führt ja dieser Thread ja dazu, daß ich die Arbeiten beschleunige? Gute Ratschläge sind immer willkommen! Wenn es hier aber nur langsam oder mal gar nicht vorangeht, dann wundert Euch bitte nicht.
Für heute mache ich erst einmal Schluß,
viele Grüße von Sebastian