Wer in die Roco-Neuheitenliste von 2015 blickt, wird eine kleine Überraschung erleben: Mit "van Gogh" steht uns ein Kunst-Taurus ins Haus und man muss kein Prophet sein um erahnen zu dürfen, was da noch alles auf uns zukommen mag: Picasso-, Keith Haring-, Roy Lichtenstein-, Dali-Tauri... Höchst spannend fände ich ja einen Giger-Taurus; aber in einen Zug den der bespannt steigt wahrscheinlich keiner ein.
Der van Gogh-Taurus konfrontierte mich mit der Fragestellung, wem ich wohl eine Kunst-Lok widmen würde. Ich habe mich für den Mann entschieden von dem man sagte, er habe die USA des 20. Jahrhunderts portraitiert wie kein Zweiter: Edward Hopper.
Hopper hatte ohne Zweifel eine Schwäche für die Welt der Züge, und der Bahn in der Kunst - man denke nur an "Railroad Train", "Freight Car at Truro" oder das legendäre "House by the Railroad", um nur einige zu nennen - mehr als ein Denkmal gesetzt. Warum sollte nicht die Bahn Hopper ein Denkmal setzen?
Aber Hoppers Art - nicht selten hinweisend auf Einsamkeit, Desillusioniertheit, Gedankenverlorenheit, Ausgegrenztheit und das Alleinsein des Einzelnen - verträgt sich nicht mit einer "brüllenden" Beklebung, die mit überformatigen, ja über die Fahrzeugbegrenzung scheinbar hinausgehenden Illustrationen marktschreierisch auf dem Streckennetz auf sein Werk aufmerksam macht. Hoppers Kunst bedarf einer stillen, ruhigen Präsentation; eingebettet in die Welt der Eisenbahnen Amerikas, die er zu jener Zeit in Farbe fasste. Und das war die große Zeit der Streamliner. Was liegt also näher, als Hoppers Protagonisten im doppelten Sinne des Wortes zum Zuge - und zwar einem ebensolchen - kommen zu lassen?
So bekam unsere 1116 erst einmal eine Außenhaut (aus gedachter Klebefolie natürlich) im besten Budd-Leichtstahldesign. Die Lok wird zum Zug, hinter dessen Fenster sich die "Hauptdarsteller" aus Hoppers populärsten Werken ein Stelldichein geben (v.r.n.l.): Das Paar aus "Summer Evening" (1947) trifft auf den alten Mann aus dem - da haben wir schon wieder unseren Eisenbahnbezug - "Hotel by a Railroad" (1952). Die Blondine aus dem "Western Motel" (1957) nimmt direkten Blickkontakt mit uns auf, während ihr Begleiter aus "Excursion into Philosophy" (1959) demonstrativ nach unten blickt und so das Interesse des Betrachters auf das Namensschild seines geistigen und künstlerischen Vaters lenkt. Es folgt die - wie so viele von Hopper portraitierte Menschen auch - einsame Dame von "Automat" (1927), während Hopper selbst aus dem Fenster des fahrenden "Zuges" den ihm eigenen Blick in die Welt wirft. In der Bar des Zugrestaurants - wo sonst? - haben sich die "Night Hawks" (1942), die "Nachtschwärmer" getroffen; die Protagonisten des wohl meist parodierten, persiflierten und plagiierten Bildes der Welt.
Über niemanden wissen wir Näheres. Wohin sie ihre Reise mit unserem "Streamliner" führt? Von der "El Station" (190 über die "Manhattan Bridge" (192 in den "Railroad Sunset"(1929) vielleicht? Wir wissen es nicht und sollen es auch nicht wissen: Nicht einmal die erzwungene räumliche Nähe in einem Zug vermag die Distanzen zu überwinden; gedankenverloren gehen die Blicke unserer Reisenden aneinander vorbei.
Ich wiederhole mich: Wieder und wieder hat Hopper der Bahn Denkmäler in Öl gesetzt. Warum sollte die Bahn nicht auch eines ihm setzen? Ich weiß nicht, welche Kunst-Tauri uns noch in 1:1 und 1:87 begegnen werden; meine Anregung hierzu sei die 1116 in dieser Beklebung. Edward Hopper mit seinem Hang zur Eisenbahn hätte eine solche rollende Hommage sicherlich verdient.
Bleibt zu sagen: Allen, die dieses Jahr nicht mehr hier hereinschauen, wünsche ich für 2015 ein gesundes neues Jahr, viel Erfolg und viel Freude mit ihrem Hobby - und natürlich mit diesem Thread, der hoffentlich weiter gehen wird.
Aber insbesondere gehen meine guten Wünsche an Bart; auf, dass alles - was immer es ist - was ihn darin hindert weiter seiner Passion nachzugehen sich in 2015 in Wohlgefallen auflösen möge und wir einen "Rücktritt vom Rücktritt" erleben dürfen..!
Mit den besten Grüßen!
Christian