Hallo Dirk,
Zitat von Remo Suriani im Beitrag #111
Die genannte Weichenverbindung kann man natürlich tatsächlich so begründen, wie Du es gemacht hast, es klingt aber auch arg konstruiert. Für die Anwendung dieses Falls muss einiges zusammenkommen:
zuerst, ich finde es wirklich gut, dass wir das hier sachlich diskutieren können. Auch wenn es nötig wäre meine Gleisplanänderungen mit noch deutlicheren Formulierungen zu kritisieren, es wäre ok. Ich will ja was lernen und nicht einfach auf meinem Standpunkt beharren. Vielleicht kennt auch die deutsche Sprache sehr viele Abstufungen zwischen "Perfekt" und "Quatsch". Für mich klingt "arg konstruiert" einfach zu nah an "Quatsch". Im Tschechischen gibt es eigentlich nur ein "Perfekt", ein "Quatsch" und eine Art "Schwejksches Perfekt" im Sinne von irgendwas dazwischen und eben nicht ganz perfekt, eine Art "to by mohlo jít...", natürlich immer gefolgt oder vorangestellt von einem "ty vole".
Zurück zur Diskussion. Vielleicht ist die von mir bevorzugte Anordnung der Gleise auch einem zeitlichen Wandel unterworfen und war 1880 "Perfekt" und 1950 "Quatsch". Ich merke halt jetzt, wie viel ich mich in 2 Jahren mit Schwellennummern beschäftigt habe und wie sehr mir jegliche Gedanken zum Betrieb anno 1900 fehlen.
Daher hilft mir ja auch die Ausbildung zum Heizer echt weiter mal ein bisschen Praxis zu erleben. Notbekohlung z.B. hatten wir in Steinbach. War ein Baugerüst von der Ladestraße quer über das Gleis der Ladestraße. Mit der IV K rückwärts so nah wie möglich einparken und nur nicht das Gerüst umfahren. Geht. Meine Ausbilderin Anna Luise schafft es die Dampflok auf plus minus 3 cm zum stehen zu bringen, ich schaffe aktuell plus minus 10 cm was zum Wasserfassen aber genügt. Zur Notbekohlung anfahren durfte ich nicht... Im Modell verbauen 90% der Modellbahner die 26m Drehscheibe die es nur 5 oder 6mal gab, weil man die Loks auch mit Traincontroller Gold nicht immer auf 0,5 mm genau zum Stehen bringen kann.
Ende
Die echten Eisenbahner unter euch mögen mir jetzt die teilweise falsche Verwendung von Begriffen verzeihen. Ich hoffe es bleibt verständlich. Wenn ich mir die Steigerungen im Güterverkehr in den Jahren 1880 bis 1910 anschaue (die Kohlenmenge hat sich von 1901 bis 1912 quasi verdoppelt, das Schienennetz nicht), dann wäre das eine gute Erklärung, dass jeder Bahnhof an der Strecke erst ein, dann zwei und am Ende vier Überholungsgleise bekommen hat. Ein Überholungsgleis neu zu bauen oder ein vorhandenes Ortsgütergleis "umzuwidmen" dauerte bei vorhandenem Planum eine Woche, eine komplette Strecke parallel zu bauen dauerte wahrscheinlich Jahre. Heute ist wahrscheinlich fast keiner dieser Bahnhöfe noch ein Bahnhof sondern es sind alles zweigleisige Haltepunkte. Die übliche Geschwindigkeit eines Güterzugs auf freier Strecke wird im Röll 1912 noch mit 30 km/h angegeben, weil es keinen Sinn machte, diese Züge sinnlos auf 40 km/h zu beschleunigen um sie dann wieder abzubremsen nur um vielleicht eine Überholung zu überspringen. Was beim Auto gilt gilt auch für die Dampflok, der Energieträgerverbrauch steigt überproportional mit der Geschwindigkeit. Längere Kohlezüge, bei mir "schweijksch perfekt" verkürzt auf an sich lächerliche 20 Wagen, dürften sogar langsamer unterwegs gewesen sein. Sofern ich das richtig verstanden habe, laut Röll machen
Kohlezüge ca. 40% der beförderten Tonnage aus im Durchschnitt auf allen Strecken der preußischen Staatseisenbahn in den Jahren 1901 - 1912. Ich müsste also um "Perfekt" zu sein, vielleicht 20% Kohlenzüge fahren lassen wenn alle Züge gleich lang sind, denn die anderen Wagen waren nicht so schwer. Für ein "Perfekt" sollten 10% genügen, denn die Kohlenzüge sind doppelt so lang wie die anderen, also 2 Kohlenzüge je Richtung bei mir oder ein Kohlenzug je Oval.
Berliner S-Bahn Züge mit T12 bespannt dürften sicher an vielen Stellen 60 km erreicht haben. Schnellzüge noch einmal etwas mehr, sagen wir 90-100 km/h? Dann könnte aber ein Schnellzug weiter rechts außen ein paar Kilometer weiter mit 100 km unterwegs sein, wenn dieser blöde Kohlenzug mit 25 km/h dort nicht immer noch vor sich hin beschleunigen würde. In meinen Augen wäre es also durchaus "Perfekt" wenn man das betrieblich ermöglicht, das ein die Hauptbahn wechselnder Güterzug erstmal auf einem Überholungsgleis auf den richtigen Moment wartet, um auf die Strecke gelassen zu werden.
Situation 1Zitat von Remo Suriani im Beitrag #111
- Ein Zug muss von grün links nach blau wollen
Ja, aber dafür gibt es nur diese eine Stelle. Wenn er also will, dann muss er hier wollen. Und wenn der Kohlenzug das will, dann dauert dieser Vorgang des Beschleunigens, Querens, Bremsens usw. so furchtbar lange, dass er wohl sogar immer auf das Überholungsgleis muss. Ich würde einen Kohlenzug von links
Grün 2 kommend wenn er nicht queren will auch zwingend auf das Überholungsgleis
Grün 1 schicken. Das kann man betrieblich einem Zug nicht als konstruiert vorwerfen, dass er hin und wieder von einer Strecke A nach Strecke B wechseln muss. Das kommt einfach vor. Für mich also ein betriebliches "Perfekt" hier für das Jahr 1900.
Situation 2Zitat von Remo Suriani im Beitrag #111
- Etwas später muss ein Zug von grün links mit hoher Prio/deutlich schneller kommen (wenn er gleichzeitig käme, würde man den ja durchfahren, wenn er deutlich später käme, müsste der andere noch nicht überholt werden)
Absolut, sehe ich genauso. Keine Ahnung wie hoch der Stadtbahntakt war, aber die Züge waren kurz, die T12 extra dafür beschafft und realtiv flott. Wie die Prio gegenüber einem Kohlenzug war, weiß ich nicht. Es könnte aber sein, dass Personenzüge auch der Stadtbahn Prio hatten. Das weiß ich nicht. Sie waren aber ca. doppelt so schnell und sie hatten vielleicht Ankunftszeiten einzuhalten. Heute trifft das ja für Sbahn nicht zu, die kommt "alle 10 Minuten" oder kommt eben gar nicht
Ich habe je Oval, Stand der Planung heute, 7 Züge, davon einen 2,20 m "langsamen Kohlenzug" (Kohle, Erz, Sand, langer Ferngüterzug), 4 kurze Übergabegüterzüge (beschleunigte Viehgüterzüge etc.), 1x S-Bahn und 1x viel zu kurzen "Quatsch"-Schnellzug. Es gibt hier im Forum einen Thread mit kurzen Zügen, aber das wäre sicher sehr konstruiert, dass auf allen Ovalen nur kurze Schnellzüge fahren. Wahrscheinlich haben alle 6 anderen Züge Prio vor dem Kohlenzug und alle sind ca. doppelt so schnell. Für mich daher mindestens ein "Schweiksches Perfekt" für den betrieblichen Grund, dass der Kohlenzug aufs Überholungsgleis muss, egal ob auf
Blau 3 oder
Grün 1 und auf
Blau 3 kommt er nur, wenn ich die Gleisfigur dort nicht durchtrenne.
Situation 3Zitat von Remo Suriani im Beitrag #111
- der Zug von grün muss einen Zug im Nacken haben, denn sonst könnte er einfach am Esig warten
Ja, aber das würde man nicht sehen, denn das Esig würde im unsichtbaren Bereich links der Brücke stehen. Ob der Schleichgüterzug also durchfährt oder dort vor dem Esig gewartet hat, während Züge mit höherer Prio auf
Grün 3,
Blau 1 und
Blau 2 fahren, wäre nicht so wichtig. Wenn er aber vor dem Esig wartet blockiert er dauerhaft die Strecke
Grün 2. Im Überholungsgleis
Blau 3 blockiert er die Strecken nur für die Dauer des Querens und kann danach in einem passenden Zeitfenster auf die Reise in
Blau 2 geschickt werden. Und ein Kohlenzug hat im Großstadtbereich immer was im Nacken. Das ist 1900 nichts besonderes. Bei mir hat er die anderen 6 Züge aus Situation 2 im Nacken. Für mich hier definitiv ein "Perfekt" für die gewählte Weichenkombi.
Situation 4Zitat von Remo Suriani im Beitrag #111
- Es darf kein Zug höherer Prio von grün rechts kommen
ja, in der Tat. Aber dann würde der Schleichgüterzug ja vor dem Esig warten im unsichtbaren Bereich. Es ist die einzige Stelle zum Queren, also muss hier gequert werden und diese Situation ist dann so, sie ist nicht konstruiert. Wenn irgendjemand der den Betrieb 1900 steuert entscheidet, der Zug muss jetzt queren, dann bekommen die anderen eben alle ein Haltsignal. Wenn man das Queren kategorisch ausschließen will, muss man hier den Hosenträger auch weglassen zwischen blau und grün, wenn ein Wechseln von Zügen von einer Strecke auf die andere Strecke nicht im Bereich des Bahnhofsvorfeld passieren soll. Umgekehrt würde ich auf
Blau 2 auch handeln. Ein von rechts auf
Blau 2 kommender Schleich-Güterzug müsste zuerst auf
Blau 3 Überholungsgleis einfahren (nicht im Bild zu sehen). Würde
Blau 3 abwarten und erst wenn das Zeitfenster passt und erst dann würde ich ihn auf die Strecke
Grün 3 schicken. Einen Eilgüterzug Viehwagen mit beigestelltem 3. Klasse Personenwagen für die "Tierpfleger" würde ich von links kommend von
Grün 2 sofort auf
Blau 1 wechseln lassen und auf die freie Strecke schicken.
Zitat von Remo Suriani im Beitrag #111
- Es darf kein Zug höherer Prio von blau rechts kommen
Siehe oben. Entscheidend ist, wie ist die Priorisierung von Zügen um 1900. Die Geschwindigkeitsunterschiede waren aber deutlich höher als heute würde ich sagen. Daher ist wahrscheinlich heute die Anzahl der Überholungsgleise auf freier Strecke ziemlich geschrumpft. Aber auch das kann ich nur vermuten. Es wäre doch aber leicht möglich das in Rocrail so zu programmieren, dass der Kohlenzug wechselt und in der Zeit eben nichts von rechts losfährt um genau diesen betrieblichen Fehler nicht darzustellen, dass ein Kohlenzug beim Kreuzen von Hauptgleisen Züge mit hoher Prio blockiert.
Die Gleisfigur ist exakt so symmetrisch im Anhalterbahnhof vorhanden inklusive des zusätzlichen Hosenträgers (der das Ganze asymmetrisch macht) und die Preußen haben sehr viele symmetrische Gleisfiguren gebaut. Auch mein Bild im Eröffnungspost der Gleiskonstruktionen zeigt ein langweiliges symmetrisches Bild mit 2 Doppelweichen, 2 EKW und einem Hosenträger um ein Gleisfeld zu starten. Ich kann also Stand jetzt auch betrieblich nichts schlechtes an dieser Gleisanordnung finden.
Viele Grüße
Wolfgang