Nee Hubert,
das kann ich so nicht stehen lassen. Ehre wem Ehre gebührt. Ich habe gerade Deinen Fred ein wenig überflogen. Alle Achtung. Dazu schreibe ich mehr, wenn ich Zeit finde, ihn genauer zu lesen.
Du hast sicher recht, dass es nicht so viele gibt, die Modellbau in ähnlicher Weise angehen und umsetzen. Jeder setzt seine Schwerpunkte anders. Ich baue meine Anlage nicht (nur) für mich, sondern mir ist der Austausch wichtig. "Rosental" hatte meine Heimat im Visier, aber diese Anlage war ein ganz kleiner Kristallisationspunkt für Diskussionen und Anregung zum Nachdenken, was wir mit Bauwerken machen wollen, die nicht mehr gebraucht werden. Die Dimension dieses Viaduktes ist im Modell gut erkennbar und wenn man bedenkt, dass das Original um 1850 gebaut wurde, kann man den Erbauern nur Respekt zollen. Die Schwierigkeiten, die mit dem Bau verbunden waren, sind manchmal sogar ähnlich wir heute. Es waren jede Menge Fremdarbeiter erforderlich, die das Sozialgefüge gehörig durcheinander wirbelten. Es macht mir einfach Spaß, mit Menschen darüber zu reden.
Einmal kam eine Frau zum Modell, die meinte, so etwas, sie meinte das Original, müsse erhalten werden. Auf meine Frage, ob sie bereit wäre, jährlich dafür 10 oder 100 € zu geben, wurde sie nachdenklich.
"Maulbronn" hat eine andere Zielrichtung. Da geht es mir um die Zeit in einer Kleinstadt jenseits romantisierenden Vorstellungen. Man hatte viel mehr, viel schwerere Arbeit. Ein Krieg war erst wenige Jahre vorbei und Kriegsversehrte waren an der Tagesordnung. Auch die Ernährungsfrage stand täglich auf der Tagesordnung, vor allem für den Winter. Es gab mehr Kinder, die helfen mussten und zum Ausgleich weniger Spielzeug. Aber es gab auch weniger Hektik und man redete mehr miteinander. Politisch waren die Zeiten extrem unruhig. In Berlin tobten die Flügelkämpfe, denen z.B. Walter Rathenau (Außenminister) drei Tage nach meiner Darstellung ermordet wurde. In Berlin tobte der Bär, auf dem Land schlief das Eichhörnchen. Cabaret und Lichtermeer in der einen, Dorfkneipe und Kerzenlicht in der anderen Stadt. Wissenschaft und Rückständigkeit, selten waren die Unterschiede in Deutschland größer.
Vielleicht bastelt ja jemand Berlin Ku'damm mit Anhalter Bahnhof als Kontrastprogramm am 21.6.1922. Dann stellen wir gemeinsam aus ...
Ich möchte nicht den Zeigefinger heben, sondern einfach nur zeigen. So kann sich jeder sein Bild machen. Ich erhebe auch nicht den Anspruch, genau zu zeigen, wie es war, sondern eher ein Gefühl vermitteln. So ganz gelingt mir das noch nicht zu meiner Zufriedenheit. Aber es gibt ja noch viel zu tun. Ein Problem sind die Bilder, die wir im Kopf tragen. Sie sind i.d.R. falsch. Wir suchen diese Bilder, um eine Bestätigung zu finden. Aber es geht darum, diese Bilder aufzulösen und sich ein paar Gedanken um das tatsächliche Leben der Zeit zu machen. Dazu muss ich mich in diese Zeit hinein versetzen. Wie ist das, wenn man als 30-Jähriger gerade den Krieg überlebt hat und man kaum über die Runden kommt ? Und wehe man wird krank. Der Arzt ist fast nicht zu bezahlen. Auch geht es wirtschaftlich nicht aufwärts. Und die Demagogen jeder Couleur haben überall ihre Fallen aufgestellt.
Ich lerne ungeheuer viel dabei. Handwerkliches und Historisches, Politisches und Planerisches. Es macht einfach Spaß.
Viele Grüße
Jürgen